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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 70
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0070
Verzeichnet wurden im Frevelteil entweder die im Prozess verhängten Strafen oder eben die
nach Abschluss des Prozesses gemilderten. Damit spiegelt das Urfehdbuch die unterschiedlichen
Phasen eines gerichtlichen Verfahrens wider. Dabei bilden die Vergichte die Voruntersuchung
ab, die Urfehden stellen das Ergebnis des Prozesses dar und die Frevel teilen die (entrichteten
) Strafen bzw. eine eventuelle Nachbesserung des Urteils mit.159

Zugleich wird deutlich, dass es dem Freiburger Rat nicht darum ging, den gesamten Verlauf
der einzelnen Prozesse zu dokumentieren. Vermutlich stand die Erfassung delinquenter Personen
als solche im Vordergrund. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, weshalb nach und nach
nur noch der Frevelteil fortgeführt worden ist. Für diesen bildeten die Ratsprotokolle die
Grundlage. In die Ratsprotokolle wurden alle Ereignisse, die die Stadt oder die Obrigkeit betrafen
, verzeichnet. Im Frevelteil hingegen sind nur die nach obrigkeitlichen Maßstäben tatsächlich
straffälligen Personen aufgenommen worden. Folglich stellt der Frevelteil ein Konzentrat
der ohnedies schon in den Ratsprotokollen verzeichneten Personen dar. Vermutlich deshalb
verzichteten Wirtner und Armbruster auf das mühsame Kopieren von Vergichten und
Urfehden, da nicht jede Person, die eine Vergicht oder eine Urfehde ablegte, delinquent war -
aber jede, die einen Frevel zu entrichten hatte.

Nach 1505 scheint die städtische Herrschaft kein Interesse mehr daran gehabt zu haben, de-
linquente Personen in einem besonderen Verzeichnis zu führen, und begnügte sich mit den
unübersichtlicheren Aufzeichnungen in den Ratsprotokollen.160 Erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts
scheint es neben den regulären Ratsprotokollen wieder gesonderte Aufzeichnungen für
Gesetzesbrecher gegeben zu haben.161

Überspitzt ließe sich abschließend die Annahme aufstellen, dass folgendes Vorgehen einen
Teil der Herrschaftstechnik des Freiburger Magistrats darstellte: Im Turm wurden Personen
von der Obrigkeit erst zu Delinquenten „gemacht", um diese dann durch die geforderte Gnadenbitte
, den Urfehdeschwur und Gnadenerweis an sich und die Gesetze und Ordnungen der
Gemeinschaft zu binden oder sie mittels der Stadtverweisung zu entfernen.

Die Anlegung des Urfehdbuchs, die Straf- und auch die Gnadenpraxis stellen damit obrigkeitliche
Herrschaftsinstrumente dar, die dazu dienen sollten, das Stadtregiment zu festigen
und zu stabilisieren, und förderten somit den gmeinen nütz.

das wolregirn gar wenigen und allein denen so vom Schöpfer ... mit sonderlicher weyshait begäbet sein verüben
ist, Epistel des Nürnberger Ratskonsulenten Christoph Scheuerl von 1516. In: Die Chroniken der deutschen
Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert. Bd. 11. Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayrischen
Akademie der Wissenschaften. Leipzig 1874, S. 791. Zu Nördlingen vgl. Horst Rabe: Der Rat der Niederschwäbischen
Reichsstädte. Rechtsgeschichtliche Untersuchungen über die Ratsverfassung der Reichsstädte
Niederschwabens bis zum Ausgang der Zunftbewegungen im Rahmen der oberdeutschen Reichs- und Bischofsstädte
. Köln/Graz 1966, S. 184. Trotz dieses Anspruchs der städtischen Räte muss davon ausgegangen
werden, dass eine Ratsherrschaft in einem gewissen Maße immer des Konsenses mit der jeweiligen Bürgerschaft
bedurfte, die mittels Wahl und Kontrollrechten graduell unterschiedlich an der Herrschaft beteiligt war, vgl. etwa
Ulrich Meier: Mensch und Bürger. Die Stadt im Denken spätmittelalterlicher Theologen. Philosophen und Juristen
. München 1994, zugleich Diss. Bielefeld 1990/91, S. 76-96 und 189-203; Klaus Schreiner: Teilhabe.
Konsens und Autonomie. Leitbegriffe kommunaler Ordnung in der politischen Theorie des späten Mittelalters
und der frühen Neuzeit. In: Theorien kommunaler Ordnung in Europa. Hg. von Peter Blickle (Schriften des
Historischen Kollegs, Kolloquien 36). München 1996, S. 35-62; Meier/Schreiner (wie Anm. 128). S. 11-34.

139 Dieser idealtypische Verlauf des gerichtlichen Verfahrens bzw. dessen Überlieferung in allen Teilen des Urfehdbuchs
tritt jedoch nur im Fall von Michel Dissel auf, vgl. Urfehdbuch, fol. 13r, 69r und 85v.

160 Wie erwähnt stellt das Urfehdbuch kein Gesamtverzeichnis der Delinquenten dar. Das Hauptaugenmerk scheint
auf solche Rechtsbrecher gelegt worden zu sein, deren Taten sich gegen die Obrigkeit oder deren Vertreter richteten
, vgl. dazu Aumüller (wie Anm. 1), S. 100-106. Ob im Frevelteil versucht wurde alle Delinquenten zu erfassen
scheint für einige Zeitabschnitte sehr wahrscheinlich. Vor allem gegen Ende der Aufzeichnungen lässt
sich jedoch feststellen, dass diese Bemühungen nicht mehr fortgesetzt wurden.
Vgl. Anm. 6.

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