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In diesem Zusammenhang ist der Artikel Communismus des republikanisch gesinnten Wilhelm
Schulz von Interesse, der im Staatslexikon von Rotteck und Welcker erschien, und in welchem
sich Schulz auf kritische Weise über den Kommunismus und den Sozialismus äußerte.23
Er beschrieb den Kommunismus als Lehre, die von vielen als Gefahr angesehen werde, weil
sie das Privateigentum aufheben würde. Der Grund für seine Entstehung, so schrieb er, sei die
wachsende Ungleichheit in der Verteilung des geistigen und materiellen Besitztums.24 Die freie
Konkurrenz, die als Heilmittel gegen alle früheren Missstände pomphaft verkündet wurde, sah
Schulz als bloße Makulatur, weil sie wegen der materiellen und geistigen Ungleichheit in der
Verteilung des Besitztums in Wirklichkeit nicht durchsetzbar sei.25 Dadurch fühlen sich die
Millionen, im Gegensatz zu den wenigen Begünstigten, an Händen und Füßen gebunden. Sie
fühlen den Hohn, der selbst in der Anerkennung jener wertlosen Freiheit, jener scheinbaren
Gleichheit liegt, auf welche sie die Vornehmen und Reichen mit ihrem noch ungebrochenen
Egoismus der Interessen spottend hinweisen.2^ Schulz warnte jedoch davor, jedes soziale Aufbegehren
als kommunistische Agitation verstehen zu wollen. Volkserhebungen seien oftmals
nur thatsächliche Protestaktionen proletarischer Massen gegen die ungleiche Vertheilung des
Einkommens, ohne daß sich das Volk bis in die fixe Idee einer Aufliebung des persönlichen Eigenthums
, auch nur an unbeweglichen Gütern, verrannt hätte ... Die Zahl der eigentlichen
Communisten hat schon seit geraumer Zeit abgenommen, obgleich jetzt mehr als zuvor von
Communismus die Rede ist.21 Im Großen und Ganzen stand Schulz dem Kommunismus kritisch
gegenüber, wenngleich er andernorts auch den vollständigen Individualismus beanstandete
. Im Hinblick auf die Verwendung des Kommunismusbegriffs in den Flugschriften ist der
Artikel von Schulz insofern interessant, als er den Diskurs dieses Begriffes in seiner Zeit
widerspiegelte und eine differenzierte, zugleich aber auch ideologisch gefärbte Sichtweise lieferte
. Dabei wird deutlich, dass der Kommunismusbegriff in den Flugschriften schlagwortartig
und propagandistisch eingesetzt wurde. Es wurde auf die geläufigen Klischees dieses Begriffes
zurückgegriffen. Gleichzeitig zeichnete der Artikel aber auch die Abgrenzungsversuche
republikanisch gesinnter Personen zum Kommunismus auf.
4.1.5. Das unterschiedliche Klassenbewusstsein der Liberalen und der Radikalen
Über das Verhältnis der verschiedenen Klassen zueinander herrschte zwischen Liberalen und
Radikalen eine unterschiedliche Auffassung. Die Radikalen und ihnen zugewandte Volksvereine
propagierten mehrheitlich die Idee einer sozialen Republik und wollten die Klassenschranken
niederreißen, damit die Mitsprache im Staat nicht mehr nur das Privileg der Besitzenden
sei.28 Diese Bestrebungen zeigen sich im Offenburger Programm von 1849, welches
Revolution 1848/49 in Baden. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der periodischen Literatur und zu ihrem Einfluss
auf die Geschichte der badischen Revolution 1848/49. Heidelberg 1981, S. 357.
23 Wilhelm Schulz begann seine Laufbahn als Kadett im Darmstädter Leibregiment, wurde aber wegen seiner 1819
anonym erschienen Schrift Frag- und Antwortbüchlein über Allerlei, was im deutschen Vaterland besonders Noth
tut. Für den Bürgers- und Bauersmann aus dem Militärdienst entlassen. Wegen weiterer Schriften (Deutschlands
Einigung durch National-Repräsentation, erschienen 1832 und Testament des deutschen Volksboten, erschienen
1833) wurde er von einem hessischen Kriegsgericht zu drei Jahren Festungshaft verurteilt, aus welcher er 1834
fliehen konnte. Ein Jahr später konnte er sich in Zürich als Privatdozent habilitieren und versuchte mit Publikationen
von dort aus Einfluss auf die politischen Verhältnisse Deutschlands zu gewinnen. Nachdem er den Sonderbundskrieg
mitgemacht hatte, kehrte er 1848 nach Darmstadt zurück und wurde ins Frankfurter Parlament
gewählt. Hans Zehntner: Das Staatslexikon von Rotteck und Welcker. Eine Studie zur Geschichte des deutschen
Frühliberalismus. Jena 1929, S. 40.
24 Schulz (wie Anm. 5), S. 292.
25 Ebd., S. 292.
26 Ebd., S. 293.
» Ebd., S. 294.
28 Auch in den Volksvereinen wurde teilweise ein deutlicher Riss zwischen den einzelnen Klassen sichtbar, wenngleich
dieser Vorgang deutlicher im Norden als im Süden zu beobachten war. So zogen sich beispielsweise die
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