http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0231
Die Studie gefällt wegen ihrer vielen, vorzüglich reproduzierten Abbildungen und wegen der verständlich
geschriebenen Texte. In den ersten Zeilen räumen die Autoren freimütig ein, es sei „noch nicht endgültig
geklärt", wann die ersten Uhren im Schwarzwald gefertigt worden seien, manches spreche für die
1660er- oder 1680er-Jahre. Unklar sei ferner, ob man anfangs „eine einfache Eisenuhr in Holz nachgebaut
" oder „eine auswärtige Holzuhr als Vorbild" genommen habe.
Jedenfalls haben Bauern, Handwerker und Tüftler die Herausforderung karger Böden und eines rauen
Klimas angenommen und in mehr als dreihundert Jahren eine eindrucksvolle Vielfalt zuverlässiger, phantasievoll
dekorierter Zeitmesser hervorgebracht. Das Heft veranschaulicht weite Bereiche der Wirtschaftsund
Sozialgeschichte: Zusammenwirken von Handwerkern, die sich auf die Verarbeitung von Holz, Glas,
Metall, Farben und Leder verstanden (Ziegenleder brauchte man für den Blasebalg der Kuckucksuhr);
Bedeutung des Holzes als Werkstoff (auch im Maschinenbau bis weit ins 19. Jahrhundert); gleitende
Übergänge von der Heimarbeit zur international anerkannten feinmechanischen Industrie. Deutlich werden
Rationalisierungserfolge: Anfangs brauchte eine Person für eine einfache Uhr eine Woche; um 1780
fertigten in derselben Zeit zwei Personen zehn, um 1850 Meister, Geselle und Lehrling 18 derartige
Uhren. Wer genauer hinschaut, ahnt etwas vom Preis, den Meisterwerke erforderten: Ungesunde Haltung,
unzulängliche Lichtverhältnisse, Entbehrungen nicht zuletzt für Kinder, die auch beim Uhrenbau in die
Arbeitswelt eingespannt waren.
Das Heft lässt sich als Einladung zum Besuch des Uhrenmuseums in Furtwangen verstehen; die knappe
Auswahlbibliographie regt zu weiterführender Lektüre an. Norbert Ohler
Johannes Lehmann: Caracalla & Kohorten. Reise zu den Römern in Südwestdeutschland. Silberburg-
Verlag, Tübingen 2004. 179 S„ zahlr. Abb.
In den ersten Kapiteln beschreibt der Autor die Geschichte der römischen Inbesitznahme und Herrschaft
in Westeuropa seit der Zeit Cäsars bis zum Erscheinen der Alamannen im heutigen Südwesten Deutschlands
. Er konzentriert sich dabei auf die politischen Ziele des Weltreiches und die Maßnahmen Roms zur
Sicherung des eroberten Territoriums. Aber keine Angst, auch der Laie kann alles verstehen, und der Stil
bleibt stets spannend und unterhaltsam. Man kann also auch hierzulande seriöse Wissenschaft offerieren,
ohne gleich langweilig und unverständlich zu werden. Die Ausführungen Johannes Lehmanns beinhalten
gleichwohl den neuesten Stand der Forschung über die Zeit der Römer in unserem Land.
Auch die folgenden Abschnitte über den Bau des Limes, das Leben der Legionäre und der gallischen
und germanischen Einwohner sind so geschrieben, dass man ein anschauliches Bild der damaligen Zeit
gewinnt. Der Autor ermuntert uns dabei, von einigen lieb gewordenen, aber oft wenig stimmigen Klischees
Abschied zu nehmen. Er betont zum Beispiel, dass der Einfluss und das Gewicht germanischer
Stämme in Mitteleuropa weit weniger herausragend war als es uns römische Historiker weismachen wollten
- und wie es Geschichtsschreiber im 19. Jahrhundert gar zu gerne glaubten. Vielmehr tut man sich aufgrund
neuester Forschungen schwer zu unterscheiden, was denn nun Kelten, Gallier oder Germanen vor,
während und nach der römischen Inbesitznahme eigentlich so trieben. Jedenfalls scheint einigermaßen
gesichert, dass nördlich und westlich des Limes nicht nur Germanen hausten. Johannes Lehmann macht
deutlich, es habe sich um eine kaum mehr zu differenzierende Mischung aus vielen Völkern gehandelt.
Nach diesen einführenden Kapiteln stellt der Autor nun die einzelnen Orte vor, in denen Römer ihre
Spuren hinterlassen haben. In Art eines wissenschaftlichen Reiseführers erlebt man mit, wie sich die
römische Herrschaft immer weiter nach Norden und Osten ausdehnte: Vom Rhein zum Neckar und zur
Donau, vom obergermanischen zum rätischen Limes. Die Grabungsstätten werden nach pädagogischer
Aufarbeitung und historischer Glaubwürdigkeit beurteilt.
Was viele schon von Badenweiler, Heitersheim und Baden-Baden kennen: Auch andernorts existierten
damals schon modern anmutende Einrichtungen für Bäder, Kanalisation und Heizung. Ja, man könnte
vermuten - wenn man die vielen Orte in Gedanken Revue passieren lässt - die Bäder seien ein zentraler
Ort des römischen Lebens gewesen. Man findet sie nämlich nicht nur in herrschaftlichen Gebäuden sondern
auch in der unmittelbaren Nähe von Legionslagern und schlichten Bauernhäusern. Es bleibt bislang
ein weitgehend ungelöstes Rätsel, warum die Eroberer nach dem Verfall Roms keinen Gebrauch von dieser
hohen Kultur machten, die römischen Einrichtungen vielmehr zerstörten, verfallen ließen oder als
Steinbruch nutzten. War es ihre bisherige Tradition oder später der christliche Glaube, der ja mehr das
geistige als das körperliche Wohlbefinden hervorhob, was sie davon abhielt, die römische Lebensart anzunehmen
und weiterzuentwickeln? Es darf also weitergeforscht werden!
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