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Ein entscheidender Tag: der 29. Oktober 1890
Am 29. Oktober 1890 fand eine Versteigerung statt, die für Franz Anton Keller wie auch für
seine Nachfahren von großer Bedeutung war. Vieles hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten
ereignet, seit das Deutsche Reich gegründet worden war. Die weite Welt war näher gerückt,
sie verlockte immer mehr dazu, das Glück in fernen Ländern zu suchen. Nicht alle kehrten
zurück wie Franz Anton; sein Halbbruder Wilhelm zog - wie an anderer Stelle erwähnt - nach
Illinois und gründete dort einen neuen Zweig der Familie. Noch ein anderer aus Oberbergen
wollte nicht mehr zurückkehren: Arnold Littner, der Adlerwirt. Er war in den 1880er-Jahren
nach Amerika gereist und hatte die Wirtschaft inzwischen verpachtet. Spätestens seit dem 17.
September 1889 ließ er den „Schwarzen Adler" von Franz Anton führen. An diesem Tag hatte
das Bezirksamt Keller die Erlaubnis erteilt, die Realwirtschaft in eigener Person zu betreiben.68
Littner wollte nun offenbar in Amerika bleiben und ließ daher den gesamten Besitz versteigern.
Seiner Frau Marie, geb. Schilli, hatte er dazu die Generalvollmacht erteilt.69 Für die Summe
von 6.850 Mark - der Gulden waren 1876 abgeschafft und die Mark eingeführt worden - ersteigerte
Franz Anton einen umfangreichen Gebäudekomplex:
la Ein zweistöckiges Wohnhaus Nr. 66 mit Wirtschaftsgerechtigkeit zum Adler, Scheuer, Schopf, Stallung,
Waschhaus, mit Brenngeschirr und Waschkessel, Schweineställen sowie sonstigen Zugehörden, einseits
Raimund Burkart, oben sich selbst, südlich an Dorfstraße, nördlich an Johann Kopp.
Ib Ein zweistöckiges Wohnhaus Nr. 65 mit Scheuer, Stallung, Schopf mit Trotte und Wasserleitung für beide
Häuser Nr. 65 und 66 an der Straße neben selbst, Drillergasse und Johann Kopp gelegen. Die Witwe des
verstorbenen Pantaleon Littner, Theresia geb. Fürderer hat in beiden Häusern Mitbenutzungsrecht. Dazu
gehört 1 M. [Mannshaut/Morgen?] Gemüsegarten für 450 Mark, insgesamt 6850 Mark.
Dieser Eintrag erklärt so manche Ungereimtheit bezüglich der vielen Wirte: Die Gastwirtschaft
war seit spätestens den 1840er-Jahren Eigentum des Handelsmanns Joseph Fürderer, wie aus
dem Feuerversicherungsbuch und dem Bürgerbuch hervorgeht.70 Danach ging sie in die Hände
von Pantaleon Littner über, der mit Theresia Fürderer, der Tochter des Handelsmanns, offensichtlich
eine gute Partie gemacht hatte. Und nun ließ deren Sohn, Arnold Littner, die zwei
Häuser an Franz Anton Keller verkaufen, wobei die Vorbesitzerin beide Anwesen weiterhin
mitbenutzen durfte. Zu diesen Häusern gehörte eine Reihe von Wirtschaftsgebäuden, wie man
sie für die Land- und Viehwirtschaft benötigt. Besonders erwünscht war sicher die Wasserleitung
, die beide Häuser versorgte, auch im Hinblick auf die miterworbene Trotte und die Geräte
zum Brennen von Schnaps. In der Regel lag das Brennrecht auf dem Haus; Franz Anton hatte
es also ebenfalls ersteigert. Es steht zweifelsfrei fest, wo das Haus lag und heute noch liegt:
Ecke Dorfstraße/Drillergasse, nur ist die Dorfstraße mehrmals umbenannt worden und heißt
heute Badbergstraße. Besonders interessant dürfte sein, dass Franz Anton damit die an sein
Haus in der Drillergasse - heute Adlergasse - angrenzenden Gebäude erworben hatte. Er verfügte
nun über drei zusammenhängende Grundstücke, ein großer Vorteil für die spätere Entwicklung
des Gasthauses.
Die Abzahlung der hohen Summe scheint Franz Anton keine großen Schwierigkeiten bereitet
zu haben, denn er kaufte im Laufe der nächsten Jahre noch einiges an Land dazu. Intensiv
widmete er sich seinem neuerworbenen Besitz, kümmerte sich um die Gastwirtschaft, brannte
Schnaps und handelte mit Wein. Schon um die Jahrhundertwende lieferte er den Kaiserstühler
Wein in Fremdenverkehrsorte wie Hinterzarten und in Garnisonsstädte. Nachdem Anfang der
1890er-Jahre die Kaiserstuhlbahn fertiggestellt worden war, weitete er seinen Radius aus und
besuchte unter anderem die Offizierscasinos links des Rheins im damals deutschen Elsass.
Kostproben seiner Weine und Schnäpse führte er stets bei sich. In diesen von Erfolg gekrönten
68 GemeindeAO, V. 2, S. 336, Die Wirtschaft zum Adler.
69 GemeindeAO, Bücher IV, Grundbuch 19, Nr. 330, 1890 Oktober 29, S. 738f.
70 GemeindeAO, Bürgerbuch von 1837 und Feuerversicherungsbuch von 1843.
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