http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0096
leuten lebhaft diskutiert wurden. Marcandiers Abhandlungen über Hanf wurden bereits eingangs
erwähnt. Die Frage, ob zum Rösten des Hanfs klares, fließendes oder stehendes, modriges
Wasser besser geeignet sei, gab in Frankreich schließlich Anlass zu wissenschaftlichen Versuchen
, die in Krünitz' „Oeconomischer Enzyclopädie" ausführlich beschrieben werden.104
Neben der Wahl der richtigen Röstmethode war für die spätere Qualität der Hanffasern von
entscheidender Bedeutung, den richtigen Zeitpunkt zur Beendigung der Röste zu finden. Dieser
ließ sich wie folgt bestimmen:
„... man [nimmt] etwas von den Stängeln aus dem Wasser heraus ... und versucht, ob die Spitzen an den
Wurzeln kurz abbrechen und ob der Bast sich leicht von dem Stängel absondert und ob er, ohne abzureißen
, die ganze Länge herunter geschälet werden kann. Denn in solchem Falle glaubt man, er habe lange
genug im Wasser gelegen. Löset sich der Bast nicht fein gleich ab, sondern hängt vornehmlich an den kleinen
Knoten, welche an dem Stängel befindlich sind: so ist es ein Zeichen, daß er noch nicht lange genug
im Wasser gelegen hat."105
Der Bestimmung dieses für die spätere Faserqualität alles entscheidenden Zeitpunkts muss-
te genaueste Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn „läßt man den Hanf auch nur einige
Stunden zu lang im Wasser, so verliert er seine Stärke und geht in Stücken; kommt er aber zu
früh aus dem Wasser, dann geht der Bast nicht vom Stengel. Hat man aber den Zeitpunkt entdeckt
, in dem der Hanf gerade genug geröstet ist, dann muß er auch ungesäumt und ohne Rücksicht
auf alle anderen Beschäftigungen herausgenommen werden."106 Dabei wurden die Hanf-
stängel abgespült, weil der unter Umständen anhaftende Schlamm dem Hanf eine schlechte
Farbe gab und außerdem nach dem Trocknen beim späteren, ohnehin schon Staub produzierenden
Brechen des Hanfs weitere Staubentwicklung verursacht und damit die Gesundheit der
Hanfarbeiter noch zusätzlich belastet hätte.107 Dann breitete man die Hanfstängel auf einer
Wiese oder einem Stoppelacker aus und ließ sie dort zwei bis drei Tage liegen, wendete sie
dann und gab ihnen noch einen weiteren Tag zum Trocknen, bevor sie in 20 bis 30 Stängel
starke Bunde gefasst, nachhause geschafft und an einem trockenen Ort gelagert wurden.108 Um
der Gefahr der Überröste und der damit einhergehenden Verminderung der späteren Faserqualität
zu entgehen, griff man mancherorts zum Verfahren der gemischten Röste. Zu Beginn unterzog
man die Hanfstängel der schneller ablaufenden Wasserröste; bevor diese abgeschlossen
war, wurden die Stängel herausgenommen und auf dem Weg der Tau- oder Luftröste fertig
geröstet.109
Die Bestimmungen der Wasser Ordnung im Breyßgaw zu den Hanfrötzen
Ein großes Problem bei der Wasserröste war, dass der Verrottungsprozess bzw. nach Marcan-
dier die Auflösung des Pflanzenharzes eine Verringerung des Sauerstoffgehalts des Wassers bewirkte
und Giftstoffe freisetzte. Die Schädlichkeit des Wassers, in dem Hanf geröstet worden
war, betonen „Universal-Lexicon" und „Encyclopedie" gleichermaßen; letztere weist in ihrem
Artikel „CHANVRE, (Mat. medic.)" daraufhin, dass der Genuss solchen Wassers für den Menschen
tödlich sei und es kein Gegenmittel gegen die Vergiftung gebe.110 So ist nicht verwunderlich
, dass das Rösten des Hanfs in natürlichen Gewässern immer wieder zu Fischsterben und
damit zu Konflikten zwischen Fischern und Hanfbauern führte. Im Breisgau rief dies schließlich
die Vereinigung der gemeynen wassergenossen des Breyßgaws auf den Plan. Dieser hin-
i"4 Krünitz (wie Anm. 7), S. 787-789.
Ebd., S. 790f.
106 Vogelmann (wie Anm. 31), S. 34; Löbe (wie Anm. 31), S. 56.
107 Encyclopedie (wie Anm. 8), S. 149; Krünitz (wie Anm. 7), S. 790f.
io» Löbe (wie Anm. 31), S. 58.
109 Meyers Konversations-Lexikon (wie Anm. 89), Bd. 8, S. 121; Markus Randerath/Nicole Randerath: Die
Spinnerey. Im Internet unter: www.die-spinnerey.de/fasern.html (17.07.06).
110 Zedler (wie Anm. 22), Sp. 463; Encyclopedie (wie Anm. 8), S. 157.
96
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0096