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Die Faschinennutzung ist heute fast vergessen. Erläuternde Hinweise dürfen deshalb nicht
fehlen. Faschinen waren technische Rohstoffe, die aus den Gebüschen und den Weichholz-Niederwäldern
gewonnen wurden. Sie dienten zur Befestigung der umfangreichen Damm- und Ablenkungsbauwerke
am Rhein und fanden darüber hinaus Verwendung im Festungsbau. Die
Dämme mussten gegen die Erosion des Rheins geschützt werden. Die Schutzhülle bildeten die
Faschinen. Es handelte sich um Reisigbündel in verschiedener Größe, z.B. in 3 oder 4 m Länge
und 1 m Durchmesser. Die Faschinen wurden mit Holzpfählen auf die Damm- und Uferbereiche
aufgebracht.35 Sie hielten nicht lange und mussten daher ständig erneuert werden. Infolgedessen
war der Bedarf an Faschinen vor und während der Rheinregulierung immens hoch. Der
Bedarf an Faschinen hatte vorrangige Priorität bei der Nutzung des Gebüschwaldes.36 Um die
Dammbau- und Sanierungsmaßnahmen in den 100 Jahren zwischen 1800 und 1900 durchführen
zu können, waren Großkahlschläge mit Flächen von 20-40 ha die Regel. Die Sträucher und das
Weichholz schlugen nach dem Hieb wieder aus. Alle 6 Jahre fanden Großkahlschläge statt.
In der Landschaft des südlichen Oberrheins sind auf der deutschen Seite der Rheinaue seit
250 Jahren keine großflächigen alten Auewälder und keine sehr großflächigen Eichen-Ulmen-
Wälder als Mittelwälder überliefert, wie dies die Aueliteratur annimmt. Auch Belege für Mittelwälder
, die aus den historischen Rheinlaufkarten abgeleitet wurden,37 hielten einer Prüfung
nicht stand.38
Die Herkunft unserer heutigen Auewälder als hochaufragende, vielfältige, europaweit bedeutsame
Wälder aus den Sträuchern, Gebüschen und Grünflächen des Faschinenwaldes lässt
sich am Oberrhein auf sehr großen Flächen landschaftsgeschichtlich untermauern. Im Rheinauebereich
Hartheim-Bremgarten ist dies auch der Fall. Die Karten verdeutlichen die großflächige
Ausdehnung des Faschinenwaldes in der Rheinaue im Jahre 1872 (vgl. Abb. 10, die
gesamte grün getönte Fläche war 1872 der Faschinennutzung gewidmet). Wenn man die heutige
Waldfläche in der Rheinaue zugrunde legt, dann nahm der Faschinenwald als komplexes
Nutzökosystem aus Sträuchern, Gebüsch-Niederwald und Flächen für die Viehweide fast das
ganze heutige Auewaldareal ein.
35 Fleig, K.: Regulierungsarbeiten am Oberrhein. In: Mein Heimatland 20, 1933, S. 135-138.
36 Asal, K: Das badische Forstrecht. Karlsruhe/Tauberbischofsheim 1898, S. 16-17.
37 Auebereiche, die 1838 in der Rheinlaufkarte als Flächen mit Wipfelflurdarstellung charakterisiert wurden (vgl.
Abb. 8, Gewanne „Stabwörth" und „Oberer Mattenkopf'), wurden von vielen Autoren als hoch aufragende
Eichen-Ulmenwälder interpretiert, ohne Berücksichtigung zeitgenössischer Landschafts- und Waldbeschreibungen
, z.B. Carbiener, R.: La protection des forets alluviales: Un defi majeur confronte ä des multiples bloqua-
ges. In: Revue forestiere Francaise Nr. Special, 1992, S. 72-76; Douard, A./Carbiener, R.: Cas de type de Daubensand
: L'evolution du paysage rhenan dans la region de Rhinau, au coeur du secteur des Giessen, des Mühlbach
, et Brunnenwasser. In: Die Auen am Oberrhein. Ausmaß und Perspektiven des Landschaftswandels am
südlichen und mittleren Oberrhein seit 1800. Eine umweltdidaktische Aufarbeitung. Hg. von W.A. Galluser.
Basel/Boston/Berlin 1992, S. 113-136; Dillmann, E./Carbiener, R.: Le meandre de Seltz-Munchhausen: Une
interpretation des paysages rhenans d'Alsace du nord et de Palatinat. In: Die Auen am Oberrhein (s.o.), S. 143-
149; Klein, J.-R/Carbiener, R./Steimer, F. u.a.: Les reserves naturelles des forets alluviales Rhenanes d'Er-
stein et d'Offendorf: Un patrimoine biologue europeen. In: Bulletin de la Societe Industrielle Mulhouse. Mul-
house 1992, S. 21-58; Späth, V.: Bruch-, Sumpf- und Auwälder (Biotope in Baden-Württemberg 7). Karlsruhe
1995, S. 19-23; WWF-Aueinstitut Rastatt: Karte des Gebietes zwischen Staustufe Iffezheim und Renchmündung.
Rastatt 1990, gedruckte Karte.
3K Werden die Waldbeschreibungen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts berücksichtigt, stellt die Wipfelflur
in der Rheinlaufkarte von 1838 in der ganzen südlichen Oberrheinaue ganz überwiegend den etwas älteren Faschinenwald
, d.h. Strauch-Weichholz-Niederwald dar - nicht wie üblich im 6-jährigen Kahlschlag genutzt, sondern
im 15- bis 20-jährigen Kahlschlag, Volk, H.: Beiträge für eine neue Naturschutzbewertung der Auewälder
am Oberrhein. In: Forstwissenschaftliches Centralblatt 117, 1998, S. 289-304; Volk, H.: Grundlagen und Erfahrungen
bei der Renaturierungvon Rheinauewäldern. In: Forst und Holz 17, 1999, S. 494-500, hier S. 498f.; Volk,
H.: Die Rekonstruktion des Auewaldes am Oberrhein-Waldzustand vorder Flusskorrektion (1750-1830). In: Freiburger
forstliche Forschung 21, 2000, S. 68-87, hier S. 72-74; Volk, H.: Auewaldforschung am Rhein - welche
Wälder sind auetypisch? In: Natur und Landschaft 12, 2001, S. 520-529, hier: S. 523f.; Volk, H.: Ökosysteme
der Rheinaue bei Neuenburg. In: Forst und Holz 21, 2003, S. 642-646.
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