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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 172
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„Endsieg" die Bezeichnung Gau Oberrhein tragen sollte, zu vereinheitlichen.12 Sein vorrangiges
Anliegen war es, den westlichen Teil zu germanisieren, wobei er nach Anweisung Hitlers
unter keinen Umständen gehemmt vorgehen sollte.13 Nach Wagners Überzeugung waren Elsäs-
ser, die sich als Franzosen betrachteten, deutsche Verräter, woraus er das Recht ableitete, mit
denselben, wann immer es ihm passte, kurzen Prozeß zu machen.14 Am 20. Oktober 1940 erstattete
er dem „Führer" einen ersten Bericht: Wir haben Juden, Franzosen und deren unbelehrbare
Trabanten entfernt.15 Unter dem Motto Hinaus mit dem welschen Plunder befahl Wagner
nicht nur, dass alle französischen Orts- und Straßenschilder beseitigt oder Eigennamen eingedeutscht
werden müssten, sondern dass auch das Tragen von Baskenmützen zu unterlassen
sei. Selbst im privaten Bereich wurde jede Unterhaltung in französischer Sprache - so sie denn
angezeigt wurde - hart geahndet.16 Spätestens ab 1943 drohte bei Zuwiderhandlung die Einweisung
in das speziell für Elsässer eingerichtete „Erziehungslager" Vorbruck bei Schirmeck.17
Unterstützung, zumindest verbale, erhielt Wagner trotz seines rigiden Vorgehens sogar von
elsässischer Seite. So verlangte Robert Ernst, kommissarischer Oberbürgermeister von Straßburg
und Organisator des „Elsässischen Hilfsdienstes" in einer Rede vor der Verwaltungsakademie
Straßburg im Januar 1941, es sei notwendig alle unsere Volksgenossen fühlen [zu] lassen
, daß Schluß ist mit all dem welschen GetueZ18 Was den Kollaborateuren hingegen weniger
gefiel, war der Umstand, dass ihre Heimat nur als „Wurmfortsatz" Badens behandelt wurde,
wie nicht zuletzt die offizielle Bezeichnung Gauleitung Baden, Nebenstelle Elsaß in Straßburg
verdeutlichte.19

Einer Reiselaune des „Führers" entsprungen -
Die Idee für das „Neue Straßburg"

Am 29. Juni 1940 ließ sich Hitler in Begleitung seines Staatsministers Otto Meißner, der selbst
Elsässer war, durch Straßburg chauffieren. Der „Führer" befand sich auf dem Rückweg von seinem
Siegeszug durch das soeben von der Wehrmacht überrollte Paris. Nun fuhr er durch die
noch vor der Eroberung von den französischen Stellen geräumte, also beinahe menschenleere
Stadt geradewegs zum Münster, das ihn zutiefst beeindruckt haben soll.20 Anscheinend aus dem

12 Vgl. Peter Hüttenberger: Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP (Schriftenreihe
der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 19). Stuttgart 1969, S. 148-152.

13 Zitiert nach Kettenacker (wie Anm. 11), S. 62.

14 Zitiert nach ebd., S. 73.

15 Zitiert nach Syre (wie Anm. 10), S. 763. Wagner hatte ca. 22.000 Jüdinnen und Juden nach Vichy-Frankreich
deportieren lassen. Insgesamt wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 1940 etwa 105.000 Personen aus dem
Elsass vertrieben. Vgl. ebd., S. 764.

16 Vgl. Michael Essig: Das Elsaß auf der Suche nach seiner Identität. München 1994, S. 144-146; Eugene Riedweg:
Strasbourg: ville occupee 1939-1945. La vie quotidienne dans la capitale de l'Alsace durant la Seconde Guerre
Mondiale. Steinbrunn-Le-Haut 1982, S. 78-83 (mit Abb.). Das Tragen der „typisch französischen Kopfbedeckung,
die den Geist trübt", wurde mit einer Geldstrafe von 150 RM oder einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Wochen
geahndet. Zitiert nach Rita Thalmann: Gleichschaltung in Frankreich 1940-1944. Hamburg 1999, S. 51.

17 Vgl. Kettenacker (wie Anm. 11), S. 164 und 247f. 1939 von der französischen Regierung als Flüchtlingslager
erbaut, wurde es von den Deutschen bereits im Sommer 1940 als „Sicherungslager" in Betrieb genommen. Es
unterstand nicht der SS, sondern dem Chef der Zivilverwaltung Robert Wagner. Vgl. Jacques Granier: Schirmeck
. Histoire d'un camp de concentration. Strasbourg [1968], S. 69f.

18 Robert Ernst: Der deutsche Beamte im Aufbau am Oberrhein. In: Straßburger Monatshefte 3, 1941, S. 206-219,
hier S. 213. Der „Elsässische Hilfsdienst" wurde gleichsam als Pendant zur NSDAP eingerichtet als Zusammensehl
uss derjenigen, die gewillt waren, am Wiederaufbau ihrer Heimat teilzunehmen, also die deutsche
Annexionspolitik aktiv zu unterstützen. Zitiert nach Hüttenberger (wie Anm. 13), S. 151.

19 Vgl. Kettenacker (wie Anm. 11), S. 141; Hermann Bickler: Ein besonderes Land. Erinnerungen und Betrachtungen
eines Lothringers. Lindhorst 1978, S. 337. Bickler fungierte ab Anfang 1941 als Kreisleiter von
Straßburg.

20 Überliefert ist ein von Heinrich Hoffmann aufgenommenes Foto, das Hitler in andächtiger Haltung mit abgenommener
Mütze bei der Besichtigung des Straßburger Münsters zeigt. Die Abbildung ist publiziert in: Das

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