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fand zudem eine Hierarchisierung statt: Aus der Vielzahl der in Frage kommenden Städte wurden
seit 1940 fünf „Führerstädte" herausgehoben: Berlin. München. Nürnberg, Hamburg und
Linz.26
Bevor mit den Planungen für das „Neue Straßburg" begonnen werden konnte, musste
zunäehst die Gemarkungsgrenze der Stadt im Osten bis zum Rhein hin, aber auch im Norden
und im Süden verschoben werden. Nicht genug, dass am 1. Dezember 1940 acht Dörfer eingemeindet
worden waren - drei Tage später folgte auch noch die Stadt Kehl auf der badischen
Rheinseite.27 Ausgehend von der erwähnten Hitler-Skizze sollten die Architekten ein mehrere
Quadratkilometer umfassendes Areal zwischen dem mittelalterlichen, dem so genannten „Alten
Straßburg" und der westlichen Rheinseite bis nach Kehl hinein verplanen mit dem Ziel,
beide Städte sowohl symbolisch als auch faktisch miteinander zu verschmelzen. Als Arbeitsanweisung
galt: Auf die vorhandene Bebauung und Straßenführung innerhalb des neuen
Geländes braucht keine Rücksicht genommen zu werden. Abzuliefern waren verschiedene
Pläne und Aufrisse sowie ein Modell vom Straßburger Bismarckplatz (heute Place de la Repu-
blique) bis zum Ostende der neuen Zubringerstraße von Kehl im Maßstab 1:1000 nebst einem
kurzen Erläuterungsbericht. Das Programm selbst umfasste weit über 50 Gebäude. Vorgegeben
waren öffentliche Bauten wie das Gauhaus einschl. Reichsstatthalte rei und Gauhalle, ein
Opernhaus, das Wehrkreiskommando, die Stadtkommandantur, die Gestapo-Leitstelle, fünf
Universitätsgebäude sowie die Anlage eines botanischen Gartens. Dazu kamen noch eine
Sportanlage, eine Wohnsiedlung für 300 bis 400 Mann und eine Geschäftsstraße mit Wohnungen
in den Obergeschossen. Als Vergütung lockten 10.000 RM plus Modellkosten. Abgabetermin
war der 1. August 1941, was einer Bearbeitungsfrist von sieben Monaten entsprach. Die
Entscheidung über die abgelieferten Arbeiten, so lautete der wichtigste Passus in den Ausschreibungsmodalitäten
, wird vom Führer getroffen.28
Das badische Moment - Die Auswahl der Architekten
Da die besten Architekten des Reiches mit der Planung der fünf „Führerstädte" ausgelastet
waren, kam ihr Einsatz für den Umbau anderer Gauhauptstädte nicht in Frage. So suchten sich
die Gauleiter zur Neuplanung „ihrer" Metropolen Architekten aus dem eigenen Herrschaftsbereich
.29 Auch Reichsstatthalter Wagner ging entsprechend vor - allerdings wählte er keinen einzigen
elsässischen Architekten aus, sondern, konsequent seiner Linie der „Zweitklassigkeit"
des Elsass folgend, ausschließlich badische. Erst aufgrund der Fürsprache des bereits genannten
Sprechers der elsässischen Bevölkerung, Robert Ernst, ließ er sich erweichen, auch zwei
Elsässer am Wettbewerb teilnehmen zu lassen.30 Der eine, Paul Schmitthenner, war in Lauterbach
im Elsass geboren, lehrte als Professor in Stuttgart und hatte seine Herkunft nie verleugnet
. Der andere, Richard Beblo, Sohn des früheren Straßburger Stadtbaumeisters Fritz Beblo,
war bei der Rückgliederung des Elsass an Frankreich 1918 mit seiner Familie ausgewiesen
worden, dann in die Fußstapfen seines Vaters getreten und soeben von Wagner zum Straßburger
Stadtbaudirektor ernannt worden.31 Alle anderen Teilnehmer stammten aus Baden: Alfred
26 Vgl. Durth (wie Anm. 24). S. 157; Mayrhofer (wie Anm. 23), S. 343.
27 Vgl. Voigt (wie Anm. 4), S. 46f. Die faktische Übergabe der Geschäfte der Kehler Gemeindeverwaltung an den
Oberstadtkommandanten von Straßburg fand allerdings erst gut ein Jahr später, am 28. Januar 1942, statt. Vgl.
Hartmut Stüwe: Kehl im Dritten Reich. Kehler Stadtgeschichte 1933-1945. Kehl 1997, S. 151.
28 Erläuterungen zu der Ausschreibung für die Gestaltung des neuen Straßburg, 1.1.1941, StadtAF, Kl/44 Nr. 516.
24 Albert Speer an Hans Heinrich Lammers, 30.8.1940. ediert in: Dülffer/Thies/Henke (wie Anm. 1), S. 38f. Als
Ausnahme ist Posen anzusehen, wo kein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, sondern Speer direkt seinen Mitarbeiter
Walther Bangert mit den Planungen für das „Neue Posen" beauftragte. Vgl. Schwendemann/Dietsche
(wie Anm. 2), S. 95f.
30 Kettenacker (wie Anm. 11), S. 76; vgl. Voigt (wie Anm. 4), S. 56.
31 Vgl. Voigt (wie Anm. 4), S. 171 und 176.
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