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Heilig soll uns sein jede Mutter deutschen Blutes.9 Bereits im Zweiten Weltkrieg war dann die
Diskrepanz zwischen dem propagierten Frauenbild und der Realität zu Tage getreten. In der
Debatte um die Dienstpflicht für Frauen wurde das Dilemma auf die polemische Frage „Arbeitspferd
" statt „Zuchtstute" zugespitzt. Um die „Heimatfront" zu halten, mussten die Frauen
zunehmend „Männeraufgaben" erledigen, wie beispielsweise die eingezogenen Arbeiter in den
Betrieben ersetzen. Trotzdem wurde 1944 der Muttertag in Freiburg im Rahmen einer öffentlichen
Feierstunde mit Verleihung des Mutterkreuzes begangen. Die Feier diente auch als Weihestunde
für die Kriegsopfer der Frauen. Im Mai 1945 fielen dann zwar keine Bomben mehr,
aber es gab auch keine Blumen oder Kaffeetafeln im Kreis der Familie. In den Wirren der Nachkriegszeit
ging der Muttertag unter. Unsicherheit, Not und Elend kennzeichneten die Situation.
Nachkriegsalltag - Der Mangel
Die Ausgangslage für den Neubeginn war alles andere als günstig. Überall herrschte Mangel:
an Wohnraum, Nahrung, Kleidung, Medikamenten, Brennstoffen und außerdem an Männern.
Fast 4 Millionen Männer waren gefallen und knapp 12 Millionen saßen in alliierter Kriegsgefangenschaft
. Noch 1947 lag die Zahl der Frauen im Stadtkreis Freiburg um 50 % höher als die
der Männer. Neben die materielle Not trat das seelische Leid der Trauernden, Kranken und
Traumatisierten. Fast jede Familie hatte mindestens einen Toten zu beklagen.
Die Behebung der Wohnungsnot und der Ernährungskrise waren die drängendsten Probleme.
Infolge der Zerstörung zahlreicher Wohnungen durch den Bombenangriff vom 27. November
1944, der Rückkehr der Evakuierten, der Beschlagnahmung von Wohnraum durch die französische
Besatzungsmacht und des Zuzugs von Flüchtlingen fehlten Tausende von Wohnungen
in Freiburg. Auf engsten Raum zusammengepfercht hausten viele Stadtbewohner in Notunterkünften
. Beispielsweise hatte eine ältere Frau mit ihren Angehörigen im früheren Kassenraum
des Faulerbades Unterschlupf gesucht. Das Dach war heil, wenn auch der Ziegel beraubt: Fenster
besitzt diese behelfsmäßige Wohnung nicht. Der Wind bläst ungehindert durch die Fugen
der Bretterwände und durch die nach Westen notdürftig vernagelten Türöffnungen ...Das für
den Haushalt notwendige Wasser liefert die nahe Dreisam.10
Erste Bemühungen galten provisorischen Reparaturarbeiten und der Beseitigung der Trümmermassen
, ohne die der Wiederaufbau auch aufgrund fehlenden Baumaterials nicht möglich
war. In Freiburg wurden auch Frauen zur Enttrümmerung herangezogen. Ausnahmen gab es
nur für ältere Frauen über 45 Jahren, Schwangere, stillende Mütter, Ordensschwestern und Diakonissen
, Invalide sowie Hausfrauen, die einen Haushalt führen.11 Barbara Guttmann hat in
jüngster Zeit den Mythos von der Trümmerfrau ins Wanken gebracht, indem sie nachwies, dass
es die so genannten Trümmerfrauen in Karlsruhe nicht gab. „Sicher halfen Frauen unmittelbar
nach Kriegsende hier und da bei Aufräumungsarbeiten am eigenen Haus oder bei Nachbarn mit
... Die organisierte Trümmerbeseitigung wurde jedoch ausschließlich mit männlichen Arbeitskräften
durchgeführt ... Das heißt aber keineswegs, dass Frauen nicht einen immensen
Anteil am Wiederaufbau hätten."12 In Freiburg aber waren Frauen - wie dargestellt - zu Trümmerarbeiten
verpflichtet (Abb. 2).
In der französischen Zone waren aus vielfältigen Gründen Nahrungsmittel nicht in genügenden
Mengen vorhanden. Die Überschussgebiete im Osten fehlten, Transportschwierigkeiten
behinderten die Zufuhr und die Ablieferungen des ländlichen Umlandes blieben unter dem
Soll. Die Versorgung der selbst unter den Folgen des Krieges leidenden Besatzungsmacht aus
9 Irmgard Weyrather: Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die „deutsche Mutter" im Nationalsozialismus
(Fischer Taschenbücher 11517). Frankfurt 1993, S. 14.
10 Zitiert nach: Neisen (wie Anm. 5), S. 60.
11 Gemeindesatzung vom 31. März 1947. Zitiert nach: StadtAF, B5 XHIa Nr. 594, Anlage 3 zum Sitzungsprotokoll
des Stadtrates vom 1. April 1947.
12 Guttmann (wie Anm. 3), S. 24.
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