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sich gründliche Quellenforschung lohnt und gerade unter den Kuriosa des Alten Reichs noch mancher
Schatz zu heben ist. Clemens Joos
Gretel Bechtold: Endlich leben. Kriegskind in Freiburg. Rombach Verlag, Freiburg 2004. 181 S., S/W-
Abb.
Das erste Drittel der Arbeit wird mit Erinnerungen der Autorin bis etwa 1940 bestritten. Dabei kommen
persönliche Erlebnisse aber auch wirtschaftliche und politische Ereignisse zum Tragen. Vor allem zwei
Institutionen scheinen die Welt von „ES", der Erzählerin, bestimmt zu haben: die katholische Kirche und
die Parolen der Nazis. Signifikant ist, dass sich beide, was die Einflussnahme auf ihre Gefolgsleute anlangte
, recht gut ergänzten: Gehorsam, Zucht, Fleiß und Unterwürfigkeit gegenüber den Autoritäten pass-
ten bestens in die Perspektiven von Religion und Ideologie. Man kann nur Vermutungen anstellen, von
wem diese Erinnerungen stammen; sicherlich nur zum Teil von der Autorin. Wahrscheinlich haben auch
Verwandte und Freunde mit zu diesen Aufzeichnungen beigetragen.
Weitaus authentischer stellen sich die folgenden Kapitel dar. Sie bestehen zum größten Teil aus abgedruckten
Briefen der Familie oder von Bekannten. Darin wird sehr deutlich - wenn auch mit sich wiederholenden
Inhalten - wie der Krieg des „kleinen Mannes" aussah. Geschichte von unten, könnte man
diese Darstellung auch nennen. Getragen zunächst von vielen Hoffnungen auf einen siegreichen Krieg,
der möglichst schnell beendet sein sollte, dämmerte bald die Erkenntnis, dass der „kleine Mann" immer
mehr zum Leidtragenden wurde. Während zu Beginn des Krieges vor allem Beschränkungen des persönlichen
Lebens und die Meldungen über Gefallene, Verwundete und Vermisste im Umfeld der Familie überwogen
, kamen in der zweiten Kriegshälfte lebensbedrohliche Gefahren auch auf diejenigen zu, die in der
Heimat geblieben waren. Mit dem Näherrücken der Alliierten im Westen verwandelte sich die Heimatfront
in eine echte Kriegsfront. Die Suche nach Nahrungsmitteln, Kleidung und Gütern des täglichen Bedarfs
wurde mit zunehmenden Bombardierungen und Tieffliegerangriffen immer beschwerlicher, ja oftmals
lebensgefährlich. Dazu kamen die Anforderungen der Nazioberen zur Verrichtung militärischer
Dienste. Insbesondere die Rekrutierung von Frauen und alten Leuten zu Schanzarbeiten machte allen klar,
was Goebbels schon 1943 mit seiner frenetisch bejubelten Forderung vom „totalen Krieg" gemeint hatte:
den Einsatz der Gesundheit und des Lebens jedes „Volksgenossen" für den so genannten Endsieg. Auch
in Freiburg machte sich deshalb, wie vielerorts im Reich, Defätismus und verhaltene Kritik breit. In den
Briefen gingen die Schreiber oftmals dazu über, Codewörter zu benutzen, um Denunzianten keine Handhabe
zu bieten, gegen die Verfasser vorzugehen. Indirekt wird so deutlich, wie effizient sich der allgegenwärtige
Terror der kleinen und großen Hitlers ausnahm. Nirgends kommt auch nur die Spur von Widerstand
zum Vorschein. Allenfalls trauten sich die Briefschreiber das schnelle Ende des Krieges zu bejahen.
Da war man sich formell mit den „Durchhaltepolitikern" einig, nur dass die kleinen Leute das Kriegsende
auch ohne „Endsieg" erhofften.
Im letzten Kapitel wird die Zeit der französischen Besatzung geschildert. Trotz vielfacher Ängste, die
nach Kräften zuvor von der Nazipropaganda gegen die farbigen, nordafrikanischen Soldaten geschürt worden
waren, verliefen die kritischen Monate nach der bedingungslosen Kapitulation doch relativ glimpflich
ab.
Insgesamt gesehen sind die Schilderungen und Briefe in diesem Buch ein gutes Beispiel einer Geschichte
von unten, wie sie sicherlich in ähnlicher Weise auch von anderen Landesteilen berichtet werden
könnte. Detlef Vogel
Sebastian Bock: Die Geschichte des Heiliggeistspitals und der Heiliggeistspitalstiftung in Freiburg im
Breisgau. Mit Beiträgen zur Geschichte des Spitals im Mittelalter von Hans-Peter Widmann. Promo Verlag
, Freiburg 2005. 383 S„ 40 Abb., 2 Falttafeln.
Die Darstellung der Geschichte des Freiburger Heiliggeistspitals gliedert sich in vier größere und chronologisch
ausgerichtete Textabschnitte, die jeweils rund 150 Jahre Spitalsgeschichte umfassen. Der
erste Abschnitt beginnt mit der Entstehung des Spitals und der Ausbildung seiner Strukturen, wobei die
erste Spitalordnung von 1318 besonders berücksichtigt wird, und umfasst den Zeitraum bis etwa um
1500. Diesem Abschnitt liegt mit der Dissertation von Hans-Peter Widmann eine historische Grundlagenarbeit
zugrunde, deren Kenntnisreichtum zu spüren ist. Der zweite Abschnitt Spitalsgeschichte
deckt die weitere Entwicklung bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges ab. Ihm folgt ein dritter Abschnitt
bis zum Ende der österreichischen Zeit 1803. Der badischen Zeit des Spitals bis einschließlich
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