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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 209
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vom Juli des Vorjahres wieder zur Stimmabgabe bewogen werden konnten, entschieden sich
136 Bollschweiler (43,4 %) für die NSDAP, nur noch 162 (51,8 %) für das Zentrum.26

Immerhin ist zu konstatieren, dass in Bollschweil ein Wahlsieg der NSDAP vermieden werden
konnte - im Gegensatz zu einigen anderen katholischen Gemeinden des Amtsbezirks Staufen
, in denen das Zentrum, allerdings meist knapp, in die zweite Reihe verwiesen wurde, und
anders vor allem als in den evangelischen Orten Südbadens mit ihren extrem hohen NS-Erfol-
gen. Trotz sehr ähnlicher Sozialstruktur waren die katholischen Dörfer eben doch weniger anfällig
für die Parolen der Partei,27 verfügten deshalb weiterhin über eine starke Gruppe von Zentrumsanhänger
. Das wollte zwar bald schon politisch nicht mehr viel besagen, war aber doch
von erheblicher Bedeutung für das gesellschaftliche Klima im Dorf. So darf also für Bollschweil
wie für andere katholisch geprägte Gemeinden eine gewisse Kontinuität der politischen
und zum Teil auch der personellen Gegebenheiten über 1933 hinaus konstatiert werden, die anfänglich
Schutz vor Parteifanatismus bot:28 Die vier Sitze des Bollschweiler Gemeinderats, die
1933 nach dem Gleichschaltungsgesetz gemäß den Ergebnissen der Reichstagswahl neu zu besetzen
waren, nahmen nun je zwei Vertreter des Zentrums und der NSDAP ein. Bürgermeister
Bernhard Schneider verblieb im Amt, allerdings erst, nachdem er die geforderte Loyalitätserklärung
zum neuen Staat abgegeben und die Parteimitgliedschaft erworben hatte; er war seit
1919 schon in der Gemeindeverwaltung tätig gewesen und im Dezember 1932, noch demokratisch
, aber wohl mit einem hohen Anteil der rechtskonservativen Stimmen, in sein Amt gewählt
worden.29

Das politische Klima im Ort scheint auch durch die Aktivitäten des protestantischen ,Ortsherrn
', des Freiherrn Max von Holzing-Berstett, nicht verschärft worden zu sein - so naheliegend
eine solche Annahme zunächst auch sein mag angesichts der Tatsache, dass gerade er es
war, der, unterstützt durch das hohe Ansehen, das er genoss, viel dazu beigetragen hat, den
Nationalsozialismus in Bollschweil hoffähig zu machen und zu festigen.30

26 Die Abstimmungsergebnisse nach Amtsbezirken und Gemeinden finden sich in den amtlichen, vom Badischen
Statistischen Landesamt, Karlsruhe 1928ff., bearbeiteten und herausgegebenen Wahlveröffentlichungen. - Zu
den Wahlen im Einzelnen, den Wahlerfolgen und den Wählern der NSDAP vgl. Bräunche (wie Anm. 24), insb.
S. 368ff., ferner Ernst M. Wallner: Die Reichstags- und Bundestagswahlen im Landkreis Freiburg seit der Jahrhundertwende
. Bühl 1965, S. 30ff.

27 Ulrich Baumann: Zerstörte Nachbarschaften. Christen und Juden in badischen Landgemeinden 1862-1940.
Hamburg 2000, S. 202f. und 205.

2« Vgl. ebd., S. 225.

29 Inwieweit bei der Bürgermeisterwahl vom Dezember 1932 parteipolitische Gesichtspunkte eine entscheidende
Rolle spielten, wird nicht ganz deutlich: Schneider erhielt 197 Stimmen, sein Gegenkandidat, der Landwirt Franz
Weber, wenig später Gemeinderat des Zentrums, erhielt dagegen 120 Stimmen, also nur zwei Drittel der Zentrumsstimmen
der Reichstagswahl vom November. Soviel scheint jedoch sicher: Schneider - und nicht der zentrumsnahe
Gegenkandidat - vereinigte auf sich die Stimmen der Rechtskonservativen. Vgl. GemeindeAB, B IV.2
Nr. 2 (Gemeindedienste - Bürgermeister, 1910-1948).

30 Klaus W. Jonas vermeidet in seiner Kurzbiographie Max von Holzing-Berstetts (1867-1936) - in: Badische Biographien
. Neue Folge. Bd. 2. Stuttgart 1987, S. 141 ff. — sorgfältig jeden Hinweis auf dessen Verstrickung in den
Nationalsozialismus. Auf die positive Einstellung zum Nationalsozialismus, sowohl Max von Holzings wie seiner
Ehefrau Elsa, verweist dagegen, allerdings in aller Kürze, Dagmar von Gersdorff: Marie Luise Kaschnitz.
Eine Biographie. Frankfurt/M. 1992, S. 13f. und 11 lf. -Auf den Nullpunkt seiner Existenz angekommen (Marie
Luise Kaschnitz) baute sich General von Holzing nach dem Scheitern im Ersten Weltkrieg ab 1918 in Bollschweil
eine Existenz als Land- und Forstwirt auf, nicht ohne schon bald auf die Wiederherstellung der nationalen Ehre
Deutschlands und auf die Wiederherstellung seines persönlichen Ansehens als Militär hinzuarbeiten, unter anderem
auch auf europäischer Ebene als Vorsitzender des Deutschen Olympia-Komitees für Reiterei. Anfang der
zwanziger Jahre trat er der Deutsch-Nationalen Volkspartei bei. Ab 1930 sah er in Hitler den nationalen Erneuerer
, im Nationalsozialismus die notwendige und vor allem einzig wirksame Gegenbewegung gegen die teils anationalen
, teils in unwürdiger Weise pazifistischen Parteien. (Vgl. von Holzings Brief vom 29.11.1930 an Freiherrn
von Stumm. Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), Abt. 69 von Holzing-Berstett, Zug. 1989 Nr. 116, Fasz.
42 [Briefe an verschiedene Adressaten]). 1932, während der Reichspräsidentenwahl, wandte von Holzing sich

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