Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 250
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0250
Von Karlsruhe ging Walter Heitier für zwei Semester nach Berlin, wo er Max Planck hörte
und mit Max von Laue bekannt wurde. Zur Stätte seiner ersten selbständigen wissenschaftlichen
Arbeiten wurde jedoch die Universität München, wo er 1926 promoviert wurde. Anschließend
weilte er als Rockefeller Research Fellow zunächst in Kopenhagen und dann in
Zürich am Institut von Erwin Schrödinger, wo ihm mit einer bahnbrechenden Arbeit auf dem
Gebiet der Quantenchemie der entscheidende Durchbruch gelang. Die Ergebnisse, 1927 auf einer
Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Freiburg im Breisgau vorgetragen,
überzeugten Max Born, der ihm eine Assistentenstelle an seinem Institut für Theoretische Physik
der Universität Göttingen anbot. Dort habilitierte sich Walter Heitier 1929 im Alter von nur
25 Jahren. 1931 reiste er in die USA, wo er an der Ohio State University in Columbus Gastvorlesungen
hielt. Angesichts der instabilen politischen Lage in Deutschland prüfte er bei einem
Besuch in Moskau auch die Möglichkeit, in Russland zu arbeiten; er konnte sich jedoch
mit den dortigen Gegebenheiten nicht anfreunden. Kaum nach Göttingen zurückgekehrt, fand
seine Tätigkeit als Privatdozent am Göttinger Institut ein abruptes Ende. Noch 1933 wurde Walter
Heitier wegen nichtarischer Abstammung aus dem Universitätsdienst entlassen.205 Die
,rechtliche' Grundlage für diese Maßnahme bildete das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
" vom 7. April 1933, mit dem die Nationalsozialisten sofort, nachdem sie die
Macht an sich gerissen hatten, gegen politische Gegner und jüdische Beamte in der öffentlichen
Verwaltung vorgingen.206

Walter Heitier zögerte nicht, umgehend nach England zu emigrieren, wo die vertriebenen
deutschen Wissenschaftler bereitwillig Aufnahme fanden.207 Der Schritt in die Emigration fiel
ihm allerdings keineswegs leicht; er war, wie sich später der Nobelpreisträger Sir Nevill Mott
erinnerte, „zutiefst unglücklich, die deutschsprechende Welt verlassen zu müssen". Doch
wurde ihm die Entscheidung durch seinen Lehrer Max Born erleichtert, der 1933 ebenfalls sofort
,beurlaubt' worden war208 und nun seine Beziehungen im Ausland nutzte, um seinen Assistenten
und Mitarbeitern neue Stellungen zu vermitteln. So erhielt Walter Heitier die Möglichkeit
, an der Universität in Bristol, an der allein neun der über fünfzig emigrierten deutschen
Physiker unterkamen,209 unter Nevill Mott, dem damaligen Leiter des Instituts für theoretische
Physik, als Research Fellow zu arbeiten. Dank der guten Aufnahme und der hervorragenden
Forschungsbedingungen lebte sich Walter Heitier dort dann rasch ein.210

Wie ihr Bruder wurde auch Annerose Heitier ein Opfer des Willkürgesetzes vom April
1933.211 Bereits am 18. des Monats wurde sie ihres Dienstes enthoben und unter Wahrung einer
Kündigungsfrist von 2 Wochen aus dem Schuldienst entlassen; die Bezüge wurden mit dem
4. Mai eingestellt.212 Innerhalb kürzester Zeit stand sie damit beruflich und finanziell vor dem
Nichts. Da sie, von einigen privaten Unterrichtsstunden abgesehen, keinerlei Einkünfte hatte.

205 Zu den Vorgängen in Göttingen vgl. Szabö (wie Anm. 123), zu Walter Heitier insb. S. 65f., 455f., 459 und 575f.

206 Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, S. 175. Abgedruckt bei Bruno Blau: Das Ausnahmerecht für die Juden in
Deutschland 1933-1945. Düsseldorf31965, S. 13ff.

207 Gegenüber den sonstigen Einwanderungswilligen verfolgte die britische Regierung dagegen bis zum Novemberpogrom
1938 eine sehr restriktive Politik. Vgl. Paul Sauer: Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-
Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit 1933-1945 (Veröffentlichungen der staatlichen
Archivverwaltung Baden-Württemberg 20). Stuttgart 1969, S. 182. Ferner Waltraud Strickhausen:
Großbritannien. In: Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Hg. von Claus-Dieter Krohn u.a.
Darmstadt 1998, Sp. 251-270, hier Sp. 251 f.

208 Zu Max Born vgl. Szabö (wie Anm. 123), S. 414ff. und 529ff.

209 Klaus Fischer: Physik. In: Handbuch (wie Anm. 207), Sp. 824-836, hier Sp. 826f. Hinweis auf Walter Heitier
ebd., Sp. 830, 832 und 834.

210 mott (wie Anm. 189), S. 143. CTRaifeartaigh/Rasche (wie Anm. 189), S. 117.

211 Wie Anm. 206. Vgl. für Baden: Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg
durch das nationalsozialistische Regime 1933-1945. 2 Bde. Bearb. von Paul Sauer. (Veröffentlichungen der
staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 16/17). Stuttgart 1966, hier Bd. 1, S. 113ff.

212 StAF, F 196/1 Fasz. EF 7949, Heft 2.

250


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0250