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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 67
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gewand dagegen die Funktion der Schnecke als Lasterattribut, in diesem Fall der Todsünde
Accidia (= Trägheit), gleichbedeutend mit dem Esel, dessen Ohren schon der spätmittelalterliche
„Standardnarr" an seiner Kappe trägt.31

In die Fastenikonografie fügt sich in Wentzingers Gemälde auch das umgedrehte Krügle, aus
dem man keinen Wein mehr trinken kann, denn der Alkoholgenuss ist zur Fastenzeit ebenso
verboten wie Fleisch und Eier. Die scherzhaft verbreitete volkstümliche Herleitung des Wortes
„Karneval" vom lateinischen „carne vale" (= Fleisch leb' wohl!) verleiht diesen Verboten Ausdruck
.32

In der Neuzeit setzten sich die seit dem Mittelalter überlieferten kirchlichen Bräuche fort, in
denen die Fastnachtszeit als ausgelassenes Fest vor die strenge Fastenzeit mit der Besinnung
auf das Leiden des Herrn gesetzt wurde. So erweist sich Wentzingers scheinbar harmloses
„Frühstücksstillleben" als komplexe Darstellung des Gegensatzes Karneval und Fasten, wie ihn
zahlreiche Darstellungen - allen voran Pieter Breughels berühmtes Tafelbild „Kampf des Karnevals
gegen die Fasten" von 1559 im Kunsthistorischen Museum Wien - vertreten (Abb. 2
und 3).33

Auch dort spielen die gegensätzlichen Speisen eine große Rolle: Die fette Fastnacht reitet
vom Wirtshaus her auf einem Fass, tragt eine Pastete als Helm und einen Bratspieß mit Spanferkelkopf
und Hähnchen als Waffe. Die Begleiter der Fastnacht führen Waffeln, Krapfen und
Eier mit sich. In der Bildmitte backt eine Frau am offenen Feuer Waffeln mit einem Waffeleisen
, vor sich eine Schüssel mit Eiern und um sich verstreut Eierschalen. Die magere Fastenzeit
bringt Brezeln und Fastenwähen, Fische und die den Schnecken als Fleischersatz gleichzusetzenden
Miesmuscheln. Dem Maskentreiben und Betrieb in der Wirtschaft stehen der Kirchgang
und die guten Werke für die Armen gegenüber, der Fastnachtsmusik mit allerlei Lärminstrumenten
die Holzklappern im Begleitzug der Fastenzeit. Breughels Gemälde ist eine Mischung
aus allegorischer Darstellung und der Dokumentation tatsächlicher Bräuche zur Fastnachtszeit
und deckt sich mit dem Inhalt vieler Fastnachtsspiele. In Freiburg etwa führten zur Fastnacht
1640 Zöglinge des Freiburger Jesuitengymnasiums den Kampf des Karnevals gegen die
Fastenzeit als Theaterstück auf.34

Ein zu Wentzingers Sopraporte nahezu zeitgenössisches Beispiel eines Bildpaares, das Fast-
nachts- und Fastenspeise einander gegenüberstellt, hat der Franzose Jean-Baptiste-Simeon
Chardin 1731 gemalt (Abb. 4/5). Es befindet sich seit 1852 im Musee du Louvre in Paris.35
Zwischen allerlei Küchengerät sind hier einerseits Rindfleisch, Nieren und Weinflaschen, andererseits
Makrelen und Eier - sie gelten im Frankreich des 18. Jahrhunderts als Fastenspeise
- gezeigt. Arrangement und Farbigkeit ähneln der Komposition Wentzingers so stark, dass man

31 Zur Geschichte und Gestalt sowie zu den Attributen des Standardnarren siehe Werner Mezger u. a.: Narren,
Schellen und Marotten. Elf Beiträge zur Narrenidee (Kulturgeschichtliche Forschungen 3), Remscheid 1984;
Mezger (wie Anm. 20); speziell zu Freiburg siehe Peter Kalchthaler: Der Freiburger Münsternarr. Betrachtungen
zur Narrenidee im Mittelalter, in: Fasnacht, Fasnet, Carnaval im Dreiland, hg. von Dominik Wunderlin,
Basel 2005, S. 8-15.

32 Karneval leitet sich ab von „carnislevamen'7„carnelevare" = Fleischwegnahme, hierzu Mezger (wie Anm. 20),
S. 12.

33 Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie Inv.-Nr. 1016. Hierzu Mezger (wie Anm. 20), S. 469ff.; Siegfried
Wagner: Der Kampf des Fastens gegen die Fastnacht. Zur Geschichte der Mäßigung (Kulturgeschichtliche
Forschungen 5), München 1986; Alexander Wied: Breughel. Der Kampf zwischen Fasching und Fasten,
Mailand 1996.

34 Rolf Süß: Zur Geschichte und Gegenwart der Freiburger Fasnacht, in: Masken (wie Anm. 29), S. 107-133, hier
S. 112.

35 Chardin. Katalog zur Ausstellung in Paris, Düsseldorf, London und New York 1999/2000, hier: Katalog zur Ausstellung
in der Royal Academy of Arts London vom 11.3.-29.5.2000, Paris/London/New York 2000, S. 176ff.,
Kat.-Nr. 29 und 30.

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