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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 77
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2008/0077
wirtschaftlichen Wachstum erkannt zu haben".14 Das Wort „Kameralismus" leitet sich ab von
der fürstlichen (Finanz-)Kammer und deutet damit an, dass anfänglich die Mehrung der fürstlichen
Finanzen Zentrum und Ziel des wirtschaftsbezogenen Denkens und Handelns war
(„Fürstenwohlstandslehre"). Später löste sich der Kameralismus jedoch von der einseitig fiskalischen
Ausrichtung und betonte das Wohl der Untertanen als Bedingung und Voraussetzung
des Staatswohls. Während der westeuropäische Merkantilismus einseitig die Förderung von
Gewerbe und Handel propagierte, galt das Interesse des deutschen Kameralismus ebenso der
Landwirtschaft. In der Physiokratie des späteren 18. Jahrhunderts wurden Boden und Landwirtschaft
sogar als die eigentlichen Quellen des Reichtums eines Landes angesehen.15
Gegenstand praktischer kameralistischer Arbeit war zum einen die genaue Erfassung des
wirtschaftlichen Potentials, zum anderen dessen fördernde Entwicklung zum Nutzen der
Untertanen und des Staates. Hinzugefügt sei, dass der Merkantilismus/Kameralismus nicht das
Ergebnis rein wirtschaftstheoretischer Interessen war, sondern als praktische Theorie auf die
Gegebenheiten der Zeit antwortete: auf den sich ausbildenden absoluten Fürstenstaat mit
seinen finanziellen Anforderungen und auf den Zwang, eine rasch wachsende Bevölkerung in
Arbeit und Brot zu setzen.

Das Reisetagebuch: Berichte von Land und Leuten

Niklas von Galler hat seine Reiserelation inhaltlich zweigeteilt - in eine Beschreibung der vier
besuchten badischen Oberämter und in ein begleitendes Tagebuch. Dieses hält, mit genauen Datumsangaben
, den Reiseweg und die Tätigkeiten an den einzelnen Orten fest. Es liefert zugleich
Skizzen von Orten und Menschen am südlichen Oberrhein zu Ausgang des 18. Jahrhunderts.

Der erste bedeutende Ort, den Galler auf seinem Weg von Karlsruhe nach Mahlberg am 15.
Juli 1785 passierte,16 war Rastatt, die Residenz der 1771 ausgestorbenen baden-badischen Linie
des markgräflichen Hauses. Vom Schloss - die Urteile über die Bauart desselben sind verschieden
- weiß Galler nur zu berichten, dass das Mobiliar fast gänzlich ausgeräumt worden sei;
doch stehe der Tisch, an dem die Gesandten 1714 den Rastatter Frieden ausgehandelt haben sollen
, noch im ursprünglichen Zimmer.17 Über die Stimmung im Ort Rastatt schreibt Galler:

Die Einwohner der Stadt [Rastatt] sprechen noch immer mit vieler Rührung von ihrem letzten Fürsten;
die Verschiedenheit der Religion des jetzigen Regentens von der ihrigen und besonders der Umstand, daß
die Stadt mit dem Hinscheiden obengedachten Markgrafens aus einer Residenz in ein gewöhnliches Landstädtchen
verwandelt wurde, wodurch der gesamten Bürgerschaft manche Vorteile entgehen, mögen die
Hauptquelle davon sein.™

14 Willi A. Boelcke: Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs von den Römern bis heute. Stuttgart 1987, S.
117. Allgemein zu Merkantilismus/Kameralismus und Physiokratismus s. auch Walter Achilles: Landwirtschaft
in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 19), München 1991, S. 10-15. Speziell zu Baden
s. Heike Knortz: Baden im Zeitalter des Merkantilismus, in: ZGO 153 (2005), S. 481-516, bes. S. 482-492,
sowie Andre Holenstein: „Gute Policey" und lokale Gesellschaft im Staat des Ancien Regime. Das Fallbeispiel
der Markgrafschaft Baden-Durlach, 2 Bde. (Frühneuzeit-Forschungen 9), Tübingen 2003.

15 Der badische Markgraf Karl Friedrich ließ sich vom deutschen Physiokraten Johann August Schlettwein beraten
und stand im brieflichen Verkehr mit Victor Riqueti Marquis de Mirabeau und Pierre Samuel Du Pont de Nemours
, den führenden französischen Vertretern dieser Richtung. Auch Galler erwähnt Schlettwein, Das Badische
Oberland (wie Anm. 1), S. 7. Zu Karl Friedrich und Schlettwein s. Clemens Zimmermann: Reformen in der bäuerlichen
Gesellschaft. Studien zum aufgeklärten Absolutismus in der Markgrafschaft Baden 1750-1790 (Studien
zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 3), Ostfildern 1983, S.52-64; ferner Alfred Straub: Das badische Oberland
im 18. Jahrhundert. Die Transformation einer bäuerlichen Gesellschaft vor der Industrialisierung (Historische
Studien 429), Husum 1977, S. 122-129.

16 Der Straßenverlauf von damals ist identisch mit dem der heutigen Bundesstraße 3.

17 Das Badische Oberland (wie Anm. 1), S. 2. Die Friedensschlüsse von Utrecht (April 1713), Rastatt (März 1714)
und Baden/Schweiz (September 1714) beendeten den Spanischen Erbfolgekrieg.

18 Ebd., S. 2. Der Landesteil Baden-Baden war katholisch, Baden-Durlach evangelisch.

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