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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 117
(PDF, 36 MB)
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derlandverschickung geworben werden sollte, wie ein entsprechender Antrag der NSDAP an
den Oberbürgermeister vom 4. April 1935 belegt. An den Straßenrändern der Innenstadt wollte
man runde, in der Machart an Verkehrsschilder angelehnte Zeichen mit der Aufschrift HALT
NS. Volkswohlfahrt postieren und an Kreuzungen von Landstraßen Werbetafeln mit der Aufschrift
Spendet Freistellen für erholungsbedürftige Kinder aufstellen. Am Stadttheater, auf dem
Rottecksplatz, an der Stühlinger Brücke und vor der Johanneskirche sollten Plakatsäulen mit
den Aufschriften Spendet für Mutter und Kind sowie Und wo bleibst Du? werben, und am
Bahnhof sollten die Passanten ein veritables „Stadttor" mit der Mahnung Kinder aufs Land tut
Not durchschreiten, wenn sie ins Freiburger Zentrum gehen wollten. Den am Siegesdenkmal
positionierten Winterhilfswerk-Schneemann (Abb. 9) sollte im Frühjahr 1935 ein Schwarzwaldhäuschen
mit eingebautem Lautsprecher ersetzen. Welche Teile dieser Aktion tatsächlich
umgesetzt wurden, entzieht sich leider der Kenntnis, und es ist davon auszugehen, dass einige
der geplanten Objekte durch andere ausgetauscht wurden, das Schwarzwaldhäuschen etwa
durch die hier gezeigte Mutter-Kind-Tafel. Den Zwang zur Variation bezeugt zum Beispiel eine
Beschwerde, die der Verkehrsdirektor am 23. Mai 1935 an den Oberbürgermeister richtete. Das
Verkehrsamt hatte eben erst unter erheblichem Aufwand an der Einmündung zum Bahnhofsvorplatz
zwei Orientierungskästen mit Ölgemälden aufstellen lassen, wovon der eine das Auffinden
der wichtigsten Strassen, Plätze und Gebäude der Stadt ermöglichen und der andere auf
unsere grösste Attraktion im Fremdenverkehr, die Schauinslandbahn aufmerksam machen
sollte. Die Kästen wurden nun von zwei massigen Propagandasäulen der NS-Volkswohlfahrt
verdeckt. Dagegen erhob der Verkehrsdirektor energischen Protest. Er erhielt dabei Schützenhilfe
von Bürgermeister Josef Brandel. Der war nämlich der Überzeugung, dass der Bahnhof
als Standort für eine Werbeaktion der NS-Volkswohlfahrt ungeeignet sei: Ob die Werbekraft
[...] an dieser namentlich auf Ortsfremde wirkenden Stelle überhaupt nennenswert ist, kann
bezweifelt werden.4

Eine Hauptrolle bei der Entfaltung der NS-Propaganda spielte der Platz am Siegesdenkmal,
das damals noch am Nordende der heutigen Kaiser-Joseph-Straße stand. Hier engagierte sich
auch immer wieder das Winterhilfswerk, eine Unterabteilung der NS-Volkswohlfahrt. Bereits
Ende 1934 hatte man zugunsten dieser Organisation, welche die 1933 verbotene Arbeiterwohlfahrt
ersetzen sollte, auf dem Platz als mahnendes Signet einen wetterfesten, doch etwas
unförmigen Schneemann errichtet. Gleichzeitig zog eine Vielzahl von BDM-Sammlerinnen
und HJ-Sammlern von Haustür zu Haustür, die gegen einen Obolus Tausende von Püppchen,
Abzeichen und Bilderserien verteilten. Diese Dreingaben avancierten schon bald insbesondere
bei den Kindern zu begehrten Sammelobjekten.

Im Frühjahr, nach Beendigung der Aktion, wurden die Sammelbüchsen jedoch nicht weggeschlossen
, sondern sofort für ein neues Projekt eingesetzt. Jetzt ging es darum, dass die Freiburger
Bevölkerung ihrer eigenen Opferbereitschaft ein Denkmal setzen sollte: Aus Tausenden
von Mosaiksteinchen, welche die Bürgerinnen und Bürger symbolisch erwerben durften, sollte
ein gewaltiger Reichsadler mit Hakenkreuz gebildet werden. Für diese Erinnerungstafel des
Winterhilfswerks 1934/35 hatte unter anderem „Der Alemanne", das nationalsozialistische
Kampfblatt Oberbadens, unter dem Slogan Kauft Mosaiksteinchen massiv getrommelt: Die
Opferbereitschaft der „Volksgemeinschaft" habe sich im vergangenen Winter außerordentlich
bewährt, und nun gehe es darum, diese Tatsache auch kommenden Geschlechtern in einer in
die Augen fallenden Form stets zu Bewußtsein zu bringen und dadurch den Opferwillen, aber
auch das Gedächtnis an eine schwere und große Zeit wachzuhalten.5 So zogen im März die
Sammlerinnen und Sammler in gewohnter Manier von Haus zu Haus und putzten erneut die
Klinken, bis alle 12.000 Mosaik-Nadeln verkauft waren, aus denen das 95 x 150 cm messende

4 Schriftwechsel und Skizzen in: Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), C4/XVII/19/14.

5 Der Alemanne, 20.3.1935.

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