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die Enge getrieben, dass er durch die geschlossene Tür schoss. Karl Schelshorn war sofort tot,
Johann Baptist Weber wurde schwer verletzt und starb wenige Tage später im Krankenhaus.92
Der Vorfall löste eine infame Hetzkampagne gegen den amtierenden Bürgermeister Karl
Bender aus, die nach wenigen Tagen zu seinem Rücktritt führte. Bender hatte nämlich das Ereignis
als Unglücksfall dargestellt. Diese Bezeichnung hielten die örtlichen Nationalsozialisten
für eine sträfliche Verharmlosung des Mordmarxismus, womit sich der ungeliebte Zentrums-
Mann, so wurden sie nicht müde zu propagieren, endgültig disqualifiziert habe. Drahtzieher der
Hetzkampagne, für die der Tod von Schelshorn und Weber den willkommenen Anlass bot, war
der damals noch als Schriftleiter des „Alemannen" fungierende Franz Kerber. Er trat am 18.
März auf dem Freiburger Münsterplatz als Hauptredner einer Massenkundgebung gegen den
Marxismus auf, in deren Verlauf er den Tod Schelshorns - Weber lebte zu diesem Zeitpunkt
noch - als „Blutopfer" interpretierte und ihn entsprechend der nationalsozialistischen Terminologie
als „Gefallenen" bezeichnete. Er lancierte außerdem im „Alemannen" eine Vielzahl
verleumderischer Zeitungsartikel gegen Bender, den er entmachten und beerben wollte, was
ihm kurze Zeit darauf auch gelang.93 Die Umbenennung der Barbarastraße in Schelshorn-
Weber-Straße sollte nicht das einzige Erinnerungszeichen für die beiden im Dienst der nationalsozialistischen
Revolution von einem Marxisten erschossenen Polizisten bleiben. Ende 1935
wurde den beiden „Blutzeugen der Bewegung" vor dem Haus, in dem sie erschossen worden
waren, ein „Mahnmal" in Form einer dreiseitigen Granitstele gesetzt. Hierfür war allerdings
nicht die Stadtverwaltung, sondern die NSDAP Baden verantwortlich, die landesweit insgesamt
sieben gleichartige „Mahnmale" für die badischen „Opfer der Bewegung" stiftete.94
Obgleich ihn mit der Stadt nichts verband, erhielt der Landesgruppenleiter der Schweizer
NSDAP Wilhelm Gustloff schon sechs Tage nach seiner Ermordung in Davos eine nicht unbedeutende
Straße in Freiburg: Am 10. Februar 1936 wurde die Basler Straße in Wilhelm-Gust-
loff-Straße umbenannt.95 Für den SA-Oberführer Josef Wasmer, Mitglied des Reichstags und
des Freiburger Stadtrats, der Ende Mai 1934 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war,
suchte man hingegen eine Gegend aus, die ganz besonders auf das Lebenswerk des Geehrten
verweisen sollte. Der Stadtrat beschloss auf Empfehlung des Bauausschusses im September
desselben Jahres, die künftige Parallelstraße zur Hasemannstrasse, die auf den Wehrsportplatz
führen wird, nach Oberführer Wasmer zu benennen, da Wasmer als Urheber des Wehrsports zu
gelten hat.96
Im Juni 1936 bat ein Anwohner des Weidwegs in der Mooswaldsiedlung, offensichtlich ein
SA-Mann, um eine Änderung seiner Adresse, da der Straßenname schlecht beleumundet sei.
Über die vormaligen Bewohnerinnen und Bewohner hatte er sich ein vernichtendes Urteil zurechtgelegt
: Es handelte sich hauptsächlich um asoziale, ohne Wohnkultur behaftete Familien.
Dies beweist die ungeheure Verwanzung und Verwahrlosung der Wohnungen. Nach 1933 habe
die seiner Ansicht nach mehr als notwendige Verlegung dieser asozialen Elemente zwar stattgefunden
, dennoch: Der Weidweg ist durch dieses Gesindel in argen Verruf gekommen. In die
freiwerdenden Wohnungen, welche alle desinfiziert und neu hergerichtet wurden, kamen
S.A.Familien und Parteigenossen, welche vorher meist in Notwohnungen untergebracht waren.
Um diese sauberen und anständigen Familien nicht in Verruf kommen zu lassen, ist eine Umbenennung
dringend erforderlich. Die Stadterweiterungsstelle befasste sich mit diesem Anliegen
und empfahl Bürgermeister Hofner, dem Wunsch des Mannes nachzukommen. Stadtrat
Sinner wurde um ein Gutachten gebeten, das er auch Anfang August 1936 der Stadtverwaltung
92 Vgl. Schnabel (wie Anm. 1), S. 304.
w Vgl. ebd., S. 305.
94 Das obige Zitat war Teil der Denkmalinschrift. Vgl. Scherb (wie Anm. 63), S. 181 f.
95 Sacksofsky an Bürgermeisteramt, 10.2.1936, in: StadtAF, C4/XII/30/1.
96 Beschluss Bürgermeisteramt entspr. der Stadtratsitzung vom 27.9.34 und 8.10.34, in: StadtAF, C4/XII/29/5.
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