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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 147
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2008/0147
Zwangsarbeiterbeschaffung

Im begrenzten Rahmen dieser zusammenfassenden Übersicht ist es ausgeschlossen, eine
systematische und vollständige Darstellung von Arbeitskräftebeschaffung, Organisation und
Entwicklung des Zwangsarbeitswesens in Deutschland auch nur versuchen zu wollen. Vielmehr
sollen die lokalen Verhältnisse beleuchtet und beispielhafte Einzelschicksale herausgestellt
werden. Allerdings müssen zum besseren Verständnis des Ganzen wenigstens einige
grundsätzliche Dinge in Kürze angesprochen werden.

Schon vor 1939 waren verstärkt arbeitssuchende Zivilarbeiter aus den Nachbarländern und
Italien angeworben worden. Die Anwerbung von angeblichen „Freiwilligen" ging auch nach
Kriegsbeginn in den besetzten Gebieten weiter, wobei der „Freiwilligkeit" teilweise drastisch
nachgeholfen wurde. So wurden beispielsweise Betriebe kurzerhand geschlossen, um angebliche
Arbeitslose zu produzieren, die dann zum Dienst im Reich gepresst werden konnten. Für
alle „freiwilligen" Zwangsarbeiter war der Übergang in die Zwangsarbeit mit dem Fortschreiten
des Krieges vorprogrammiert.5

Seit Kriegsausbruch konnten Kriegsgefangene, wie es die Haager Landkriegsordnung und
die Genfer Konvention - jedenfalls für Nicht-Offiziere - zuließen, zur Arbeit eingesetzt werden
. Zugleich wurde in den besetzten Gebieten mit der rigorosen Beschaffung von Zivilarbeitern
begonnen, teilweise durch die Zwangsaushebung ganzer Jahrgänge, teilweise durch überfallartige
Razzien in eingekesselten Bezirken. Wer dabei nicht auf der Stelle den Besitz eines
Arbeitsplatzes nachweisen konnte, wurde festgenommen und abtransportiert. Es kam zur wahllosen
Abführung und Deportation ganzer Dorf Schäften. Janina Radecka erlebte das am eigenen
Leib in einem kleinen Ort bei Wilna.6 Im September 1943 umzingelten deutsche Soldaten das
Dorf, in dem Jagd auf junge Leute gemacht wurde, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland
gebracht werden sollten. Auch die 19-jährige Janina wurde aufgegriffen und - ohne dass ihr
Gelegenheit gegeben worden wäre, ihre Eltern zu informieren - abtransportiert. Nach tagelanger
Fahrt in Viehwaggons und Zwischenaufenthalt in einem Lager kam sie durch Hunger, Kälte
und Krankheit geschwächt in Freiburg an. Sie wurde einem Gasthausbesitzer als Küchenhilfe
zugeteilt. Zwar war die Arbeit für sie schwer und ungewohnt, aber sie wurde gut behandelt und
der offiziellen Kontaktsperre zum Trotz vom Koch der Wirtschaft immer wieder nach Hause
zu seiner Familie eingeladen.

Die NS-Rassentheorie und das Zwangsarbeiterwesen

Zwangsarbeit war nicht gleich Zwangsarbeit. Die Unterschiede waren erheblich und sie konnten
-je nachdem - über Leben und Tod entscheiden. Abhängig war alles von der Einstufung
im abstrusen System der NS-Rassentheorie und von politischer Opportunität.

In einem Merkblatt der Staatspolizeistelle Dresden vom November 1942 findet sich eine kurz
gefasste Darstellung der Rassenhierarchie, die wesentlich für die Verwendung und Behandlung
sogenannter Fremdarbeiter war: Ganz oben in der Hierarchie standen danach die germanischen
Völker, die Holländer, Flamen, Dänen. Ihnen folgten die Angehörigen verbündeter und befreundeter
Staaten wie Italiener, Spanier und Ungarn, dann die Arbeiter aus den besetzen Gebieten
im Westen, also Belgier und Franzosen, anschließend die der besetzten Gebiete im Südosten
wie Griechen und Serben. Noch unter diesen standen die Arbeiter aus Böhmen und
Mähren, unter diesen wiederum die Angehörigen der ehemaligen baltischen Staaten, gefolgt
von Ukrainern, Weißrussen, Polen und Russen. Am untersten Ende der Menschenskala des nationalsozialistischen
Rassenwahns waren die Juden angesiedelt.7

5 Spitzmüller (wie Anm. 3), S. 22ff.
fi Ebd., S. 62 und 64f.
7 Ebd., S. 19f.

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