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gierten sich im Gegensatz zu Preußen nur verhältnismäßig wenige adelige Personen in nationalsozialistischen
Organisationen. Nach 1945 setzten sich adelige Vertreter im Südwesten vor allem dafür ein, die von
den Militärregierungen forcierten Bemühungen um eine Bodenreform für den Grund besitzenden Adel
günstig zu gestalten. Detlef Vogel
Baden - 200 Jahre Großherzogtum. Vom Fürstenstaat zur Demokratie, hg. von Paul-Ludwig Weinacht,
Rombach Verlag, Freiburg 2008, 309 S., SAV-Abb.
Kritische Worte zu Beginn dieser Festschrift: Bei den Vorbereitungen des Landes anlässlich der Erhebung
Badens zum Großherzogtum erfuhr die Landesvereinigung erst aus dem Internet von den aufwendigen Jubiläumsfeiern
, die im württembergischen Teil geplant wurden. Kein gutes Omen für das „in einer nicht
ganz legalen Weise" fusionierte „Bindestrich-Land". So ganz begraben ist also auch nach mehr als zwei
Generationen die Rivalität und Konkurrenz der beiden Länder Baden und Württemberg (noch) nicht. Von
„Zerreißung des badischen Staats" und von einem „melting pot" ist die Rede, also von einem Land, das
nicht zuletzt durch die NS-Zeit und den verlorenen Zweiten Weltkrieg um seine Identität zu kämpfen hatte.
Zum Gedenken an die Gründung des Großherzogtums Baden im Jahr 1806 wurden von der „Landesvereinigung
Baden in Europa" zwei Vortragsreihen mit namhaften Autorinnen und Autoren veranstaltet -
darunter etliche „Altbadener" -, die nach nur eineinhalb Jahren zur vorliegenden Publikation führten. In
einem weiten Bogen wird die „tausendjährige Geschichte" des Landes von Hansmartin Schwarzmaier thematisiert
. Herausgeber des „Handbuches der baden-württembergischen Geschichte". Er vermittelt einen
Überblick über die Vorgeschichte mit den wichtigsten „Wendemarken" und „Sternstunden". Badens Entwicklung
zum „liberalen Ländle" beginnt jedoch erst im 19. Jahrhundert und wurde geprägt durch das
vom Code Napoleon beeinflusste Badische Landrecht und die badische Verfassung. Diesem Thema widmet
sich ein Experte für Verfassungsgeschichte, Hans Fenske. Gewürdigt werden die Verfassungsentw ürfe
der Brüder Ernst und Karl Frhr. Marschall von Bieberstein, die in ihrem Konzept eine landständische Verfassung
mit einer Adels- und einer Landesdeputiertenkammer vorsahen, die mit dem Recht zur Steuerbewilligung
, der Zustimmung zu Landesgesetzen und der Mitaufsicht über den Staatsetat weit reichende
Rechte erhalten sollten. Aber erst Jahre später, am 22. August 1818. unterschrieb Großherzog Karl die Verfassungsurkunde
. Damit erhielten mehr als die Hälfte der Bürger ein aktives Wahlrecht, während das passive
Wahlrecht aufgrund des hohen Zensus weitaus weniger Bürger besaßen, bis 1904 das allgemeine
Wahlrecht (für Männer) eingeführt wurde.
Diese liberale Verfassung wurde durch die Tätigkeit Karls von Rotteck weiter modernisiert, erlitt dann
jedoch Rückschläge. 1843 feierte man noch das 25-jährige Jubiläum der als sehr modern geltenden Verfassung
, danach führte die 48er-Revolution zu langjährigen Restriktionen.
Nicht nur die einheitliche Verfassung, sondern auch das einheitliche Badische Landrecht band die aus
den verschiedensten Herrschaftsgebieten stammenden Einwohner allmählich zu einem homogenen Staat
zusammen. Jetzt entstanden die Gerichtsstrukturen, die mit einigen Abwandlungen bis heute bestehen,
beispielsweise beim Zivilrecht der Schutz von Familie und Eigentum. Das von Staatsrat Johann Niklas
Friedrich Brauer bearbeitete neue Gesetzbuch wurde ein wahrer Bestseller - bis am 1. Januar 1900 in ganz
Deutschland das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt wurde. Umfassend schildert Oberstaatsanwalt a. D.
Reiner Haehling von Lanzenauer auch die Entwicklung des Strafrechts und Strafvollzugs.
Insgesamt vierzehn Aufsätze von Historikern, Politologen. Germanisten, Soziologen, Juristen, Landschaftsarchitekten
und Journalisten beleuchten verschiedene Aspekte badischer Geschichte, von der Entstehung
des Generallandesarchivs (Konrad Krimm) bis zu Badens Beitrag zur Reichsgründung, von
Harm-Hinrich Brandt als „marginal" bezeichnet. Über die Schwierigkeiten der katholischen Einwohner
des einstigen vorderösterreichischen Breisgaus berichtet Clemens Rehm, der sich bereits in einigen Veröffentlichungen
zur Rolle der Katholischen Kirche äußerte. Gert Kollmer-von Oheim-Loup befasst sich
mit den Auswirkungen der Säkularisation auf die Wirtschaftspolitik Badens und stellt fest, dass sich dieser
liberale Staat besonders für eine neue Nutzung der Klöster einsetzte. Aufgrund der Säkularisation waren
Hunderte von Arbeitsplätzen weggefallen, die nun durch Ansiedlung von Maschinenfabriken und
Baumwollmanufakturen wieder geschaffen werden mussten, um die Not der Bevölkerung zu lindern. Dies
setzte eine Industrialisierung in Gang, lange vor dem eigentlichen „Take-off'.
Auf eine ganz aktuelle Problematik weist Peter Michael Ehrles Abhandlung zu den Beständen der Badischen
Landesbibliothek. Schon mehrfach befasste er sich mit dem schwelenden „Kulturgüterstreit", den
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