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kultät im Aufklärungszeitalter beschließt Heribert Smolinsky den Band. Auf dem Gebiet der Theologie
war es eine „Zeit der hektischen Reformen'*, die 1767 „in merkwürdig brutaler Weise" (S. 288f.) eine längere
Phase der Stagnation ablöste und neue, von Wien vorgegebene Strukturen schuf. Das Profil der „Reformtheologie
'' in Freiburg bestimmt Smolinsky im Erscheinen progressiver Zeitschriften von überregionaler
Bedeutung, dem Einfluss des Spätjansenismus und dem Wirken namhafter Professoren.
Insgesamt entwerfen die einzelnen Beiträge ein bemerkenswertes Panorama der Geschichte der Freiburger
Universität in den ersten 300 Jahren ihres Bestehens. Obwohl die beleuchteten Zeitabschnitte und
Probleme aufgrund unterschiedlicher Vorarbeiten und anderer Voraussetzungen zwangsläufig ausschnitthaft
bleiben müssen, ist hier eine Summe der Forschung zur Universität auf dem neuesten Stand geboten,
die über die ephemeren Feierlichkeiten des Jubiläumsjahrs hinaus ihren Wert behält. Clemens Joos
Rolf Böhme: Orte der Erinnerung - Wege der Versöhnung. Vom Umgang mit dem Holocaust in einer
deutschen Stadt nach 1945, Verlag Herder, Freiburg/Basel/Wien 2007, 128 S., zahlr. Abb.
Im Juni 1985, nachdem in Brasilien der Leichnam des 1979 dort verstorbenen SS-Arztes im Konzentrationslager
Auschwitz, Josef Mengele. identifiziert worden war, wurde Rolf Böhme, von 1982 bis 2002
Oberbürgermeister in Freiburg i. Br.. damit konfrontiert, dass dieser häufig in Freiburg gewesen war und
enge familiäre Beziehungen dorthin hatte. Böhme war fassungslos: Er hatte das nicht gewusst, obwohl -
wie sich dann herausstellte - viele Ämter mit dem Fall befasst gewesen waren. Mit dieser Erinnerung beginnt
Böhme sein Buch. Ein typischer Vorgang: Welche Stadt in Deutschland hatte nicht einen Nazi-Verbrecher
in ihren Mauern geborgen? Welche Stadt hatte sich ihrer Vergangenheit während des „Dritten Reiches
" 1985 bereits gestellt? War es nicht eher die Regel, dass die Verantwortlichen versuchten, die lokalen
Geschehnisse, die durchaus noch zahlreiche lebende Personen betrafen, aus der öffentlichen
Diskussion herauszuhalten?
Rolf Böhme war umso mehr betroffen, als ihm und seiner Frau Margret die Aufarbeitung der Geschichte
Freiburgs im Nationalsozialismus und insbesondere des Schicksals der jüdischen Bürgerinnen
und Bürger ein Herzensanliegen ist. Fast zur gleichen Zeit wie der Schock über Mengele fand der Spatenstich
für den Bau der neuen Synagoge statt: die alte war im Novemberpogrom von 1938 abgebrannt
worden. Anlässlich dieses Ereignisses hatte der Oberbürgermeister dafür gesorgt, dass diejenigen Jüdinnen
und Juden, die die Shoah überlebt hatten und deren Adressen ausfindig zu machen gewesen waren,
nach Freiburg eingeladen worden waren. Weitere Besuche ehemaliger Freiburger Juden folgten ebenso
wie Gegenbesuche in die USA und nach Israel oder Reisen von Freiburger Delegationen nach Gurs, dem
Ort in den Pyrenäen, in den ein Großteil der badischen Juden im Oktober 1940 deportiert worden war.
Für die verschiedenen Ereignisse, die zur Sprache kommen, liefert der Autor knappe Abrisse der historischen
Zusammenhänge, damit die Darstellung verständlich wird. Sinnvollerweise hat er aber darauf
verzichtet, mit geschichtswissenschaftlichen Werken in Konkurrenz zu treten. Im Mittelpunkt stehen seine
persönlichen Erinnerungen. Häufig verbindet er sie mit den Schicksalen von Menschen, die er in Gesprächen
erfahren hat und denen im Stadtarchiv nachgegangen worden ist. So ist ein sehr unmittelbares,
oft bewegendes Buch entstanden.
Immer wieder war Böhme überrascht, wie präsent Freiburg noch in den Köpfen, in den Erinnerungen
der Jüdinnen und Juden war, mit denen er sprechen konnte, aber auch, wie wenig die ältere Generation
der Freiburger vom Schicksal dieser Verfolgten hören wollte. Deshalb setzte er sich sehr für entsprechende
Forschungen an der Universität und im Stadtarchiv, für öffentliche Veranstaltungen, die diese bekannt machen
sollten, für die Förderung anderer Initiativen und für Orte des Gedenkens ein. Ihm lag an einer lebendigen
Erinnerung, nicht an Ritualen. Sein Bestreben, die Geschichte wach zu halten, beinhaltete auch
die Auseinandersetzung mit heutigen Formen des Antisemitismus, des Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit
. Das gehörte für ihn zur Aussöhnung mit denen, denen Unrecht geschehen war, und zu seinem
Wunsch, in Freiburg eine Atmosphäre des „Miteinander Lebens" zu schaffen. Böhme weiß, dass „es
nicht wieder gut wird", wie es eine aus Freiburg stammende Jüdin ausdrückte. Aber er weiß auch, dass
die einzige Möglichkeit, mit dieser Last umzugehen, darin besteht, sich der Vergangenheit zu erinnern und
daraus Folgerungen für das eigene Handeln zu ziehen. Heiko Haumann
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