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ben). Seit Anfang des 14. Jahrhunderts kamen geistliche Anleitungen über die „Kunst des heilsamen
Sterbens" hinzu, gemeinhin als Ars moriendi bezeichnet.2
Eine weitere Entwicklungsstufe bildet der älteste bekannte Totentanz mit lateinischen Versen
aus dem 14. Jahrhundert, denen dann zu Beginn des 15. Jahrhunderts deutschsprachige
Verse hinzugefügt wurden; es ist der sogenannte Oberdeutsche vierzeilige Totentanz, noch
ohne Bilder, von dem eine um 1443 in Augsburg entstandene Niederschrift erhalten geblieben
ist.3 Während den lateinischen Versen noch zu entnehmen ist, dass es Tote (Verstorbene) sind,
die mit den einzelnen Standesvertretern tanzen, kündigt sich in den späteren Dialogversen und
Bildern schon die neue Auffassung an, dass es sich im strengen Wortsinn nicht um einen Toten-
Tanz, sondern eigentlich um einen Todes-Tanz handelt, also um den Tanz des als Person
auftretenden Todes mit noch lebenden Menschen. Unabhängig davon wird im Folgenden der
allgemein übliche Sprachgebrauch „Totentanz" beibehalten.
Den Darstellungen eines Totentanzes mit der Figur des tanzenden Todes gingen bestimmte
Bildthemen der kirchlichen Bildkunst voraus, insbesondere die Bilder vom „Triumph des
Todes" über den Menschen4 sowie die Darstellungen der beiden Legenden von der „Begegnung
der drei Lebenden und der drei Toten" und von den „Dankbaren Toten".5 Für die Legende von
den „Dankbaren Toten" besteht ein Vorbildcharakter allerdings nur eingeschränkt insofern, als
von diesem Motiv zumindest nur bildliche Darstellungen erhalten blieben, die jünger sind als
die ältesten Totentänze.
Bei den spätmittelalterlichen Totentänzen6 greift der personifizierte Tod in das Leben der
Menschen ein, wann und wo er will sowie unabhängig von Geschlecht, Alter, Beruf oder gesellschaftlichem
Stand. Die Allgegenwart des Todes und die Ungewissheit der Todesstunde
2 Einzelheiten bei Peter Neher: Ars moriendi - Eine historisch-pastoraltheologische Analyse, St. Ottilien 1989,
S. 12ff. und 183ff. Als erste Anleitung zur Kunst des Sterbens gilt das Traktat von Jean Gerson: De arte moriendi
, um 1403. Ein (spätes) Beispiel für „Vado-mori-Gedichte" ist das Werk von Anton Steinhauer: Vado mori
Das ist: Bereitschaft zum Tod, oder der Weg alles Fleisches, Durch eine ordentliche Todten-Procession hg.
von Johanne Nicolao Weislinger, Definitoren des Hochwürdigen Ottersweyherischen Rural-Capitals und
Pfarrherrn zu Capell unter Rodeck im Breysgau, Straßburg/Augsburg 1744. Der Jurist Anton Steinhauer stammt
aus Freiburg im Breisgau; seine Werke werden in der dortigen Universitätsbibliothek verwahrt. Einzelheiten bei
Nigel F. Palmer: Ars moriendi und Totentanz: Zur Verbildlichung des Todes im Spätmittelalter, in: Tod im Mittelalter
, hg. von Arno Borst u.a., Konstanz 1993, S. 313ff.
3 Universitätsbibliothek Heidelberg, Codex Palatinatus Germanicus (cpg) 314. Einzelheiten siehe Kapitel IV, Nr. 3.
4 Als Vorbild für den „Triumph des Todes" diente der vierte apokalyptische Reiter nach der Beschreibung in der
Geheimen Offenbarung des Evangelisten Johannes (6,7-8), wie er z.B. auf dem Holzschnitt von Albrecht Dürer
(1498) dargestellt ist, Wunderlich (wie Anm. 1), S. 41ff.
5 Siehe hierzu ausführlich Kapitel III.
6 Totentanzliteratur II: Christiane Kummer: Totentanz, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, Freiburg
32006, Sp. 13lf.; „Ihr müßt alle nach meiner Pfeife tanzen". Totentänze vom 15. bis zum 20. Jahrhundert aus den
Beständen der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und der Bibliothek Otto Schäfer, Schweinfurt, hg. von
Winfried Frey (Ausstellungskatalog Nr. 77 der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel), Wiesbaden 2000;
Reiner Sörries: Tanz der Toten - Todestanz. Der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum,
Ausstellungskatalog hg. vom Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur in Kassel, Dettelbach 1998; Uli
Wunderlich: Ubique Holbein: Drei Totentanzwerke aus drei Jahrhunderten, Zürich 1998; Franz Egger u.a.:
Todesreigen - Totentanz. Die Innerschweiz im Bannkreis barocker Todesvorstellungen, Basel 1996; Helene
Utzinger/Bertrand Utzinger: Itineraires des Danses macabres, Chartres 1996; Hellmut Rosenfeld: Totentanz
, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 4, Freiburg 1994/2004, Sp. 343ff.; Margarete Bartels:
Totentänze - kunsthistorische Betrachtung, in: Der Tod in Dichtung, Philosophie und Kunst, hg. von Hans
Helmut Jansen, Darmstadt 21989, S. 105-120; Totentanz - Kontinuität und Wandel einer Bildidee vom
Mittelalter bis Heute, Katalog zur Ausstellung des Mannheimer Kunstvereins, hg. von Friedrich W. Kasten,
Mannheim 1987; Reinhold Hammerstein: Tanz und Musik des Todes - Die mittelalterlichen Totentänze und ihr
Nachleben, Bern 1980; Stephan Cosacchi: Makabertanz - Der Totentanz in Kunst, Poesie und Brauchtum des
Mittelalters, Meisenheim 1965; Wilhelm Fehse: Der Ursprung der Totentänze, Halle 1907.
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