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(1494-1519), der ältere Bruder von Hans Holbein d. J., in den Jahren 1515/16 gemalt hat.
In den Fensterleibungen an der Westseite des Festsaals stehen sich die beiden Wandgemälde
„Tod und Lautenspielerin" sowie „Narr und Geigerin" gegenüber. Beide Paare
sind auf einem Säulenkapitell postiert und werden über ihren Köpfen von einer Blättergirlande
eingerahmt. Die Lautenspielerin scheint auf einen Laut zu horchen, der von rückwärts
an ihr Ohr dringt. Hinter ihr steht bereits der Tod mit dem Stundenglas in der linken
Hand. Auf diesem Sinnbild für das zerronnene Leben sind die verschränkten Initialen
A und H - für Ambrosius Holbein - zu erkennen. Das Fresko an der anderen
Fensternische zeigt den Narren, wie er die Geigerin mit beiden Händen umfasst. Diese
Gegenüberstellung von Totentanz und Narretei ist vielleicht als Hinweis darauf gedacht,
wie nahe Totentanz und Narretei beieinanderliegen (Werner Mezger).
Beide Bilder sind eingeordnet zwischen den großflächigen Wandgemälden der „Zerstörung
Karthagos" und des weithin bekannten „Zurzacher Jahrmarkts", also wiederum
zwischen Szenen des Todes und des prallen Lebens, im ersten Fall ein Bild aus der Vergangenheit
und im zweiten Fall eine Schilderung der Gegenwart aus der Sicht des nicht
näher bekannten Künstlers, der die „Zerstörung Karthagos" mit seinen Initialen C und A
gezeichnet hat.
10. Berner Totentanz von Nikiaus Manuel Deutsch / Kanton Bern (1516-1520)44
Der Berner Totentanz befand sich an der Innenseite der südlichen Friedhofmauer des Dominikanerklosters
in Bern, gemalt von Nikiaus Manuel Deutsch (um 1484-1530). Es ist
der erste Totentanz, der von einem bekannten Künstler geschaffen wurde. Den Auftrag
scheint er nicht von den Dominikanern, sondern von der Stadt Bern erhalten zu haben.
Zur Finanzierung werden die Berner Stifterfamilien beigetragen haben, deren Wappen abgebildet
sind. Die Friedhofsmauer wurde 1660 zur Erweiterung der heutigen Zeughausgasse
unter Zerstörung des ca. 80 m langen Wandgemäldes mit den etwa lebensgroßen
Figuren abgerissen. Die gesamte Szenenfolge ist aber durch zeitgenössische Kopien und
künstlerische Nachbildungen bekannt.
Der Todesreigen beginnt mit drei biblischen Szenen (Sündenfall, Gesetzesübergabe an
Moses, Kreuzigung) und dem „Beinhauskonzert"; er endet mit dem Prediger auf der Kanzel
. Bei diesen vier Bildern handelt es sich um vielleicht später hinzugefügte gerahmte
Tafeln, während der eigentliche Totentanz in Freskotechnik ausgeführt war. In 41 Szenen
tanzt der Tod mit Vertretern der einzelnen Stände und zwar so, dass jeweils zwei Paare
unter einer Doppelarkade agieren (mit Ausnahme des Deutschordensritters). Unter den
Laubengängen mit Durchblicken auf wechselnde Landschaften sind als Paare zu sehen:
Papst - Kardinal, Patriarch - Bischof, Abt - Priester (Chorherr), Doktor des geistlichen
Rechts - Astrologe, Deutschordensritter (einzeln), Mönch - Äbtissin, Waldbruder - Be-
gine, Kaiser - König, Kaiserin - Königin, Herzog - Graf, Ritter - Jurist, Fürsprecher -
Arzt, Schultheiß - reicher Jüngling, Ratsherr - Vogt, Bürger - Kaufmann, Witwe - Tochter
, Handwerksmann - armer Mann, Krieger - Dirne, Koch - Bauer, Narr - Edelfrau und
Kind, Juden und Heiden mit dem Maler.
44 Christoph Mörgeli/Uli Wunderlich: Berner Totentänze - Makabres aus Bern vom Mittelalter bis in die
Gegenwart, Bern 2006, S. 13f. und 36f.; Johannes Tripps: „Den Würmern wirst Du Wildbret sein": Der Berner
Totentanz des Nikiaus Manuel Deutsch in den Aquarellkopien von Albrecht Kauw (1649) (Schriften des Bernischen
Historischen Museums 6), Bern 2005; Schönlein /Wunderlich (wie Anm. 38), S. 32f.; Georges Herzog:
Albrecht Kauw (1616-1681) - Der Berner Maler aus Strassburg, Bern 1999, S. 33ff.; Sörries (wie Anm. 6),
S. 1421T.; Utzinger/Utzinger (wie Anm. 6), S. 1531T.; Kaiser (wie Anm. 1), S. 3301T.; Hammerstein (wie Anm.
6), S. 2151T.; Paul Zinsli: Der Berner Totentanz des Nikiaus Manuel (etwa 1484-1530) in den Nachbildungen
von Albrecht Kauw (1649), Bern 21979; Luc Mojon: Der einstige Totentanz, in: Die Kunstdenkmäler des
Kantons Bern V (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 58), Basel 1969, S. 70ff.; Cosacchi (wie Anm. 6), S. 7641T.
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