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von Vorteil, wenn sich nur ein Gasthaus in der Vogtei oder dem Ort befand oder der Wirtschaft
ein großer Bauernhof - z.B. bei den vier alten Gastwirtschaften „Kreuz", „Engel", „Hirschen"
und „Sonne" an der Talstraße im Glottertal - angeschlossen war. Die Bauern verfügten stets
über einen Vorrat an Stroh und Futter, um die Versorgung des eigenen Viehs und der Pferde der
Reisenden sicherzustellen. Mit Wirtschaft und Hof besaßen sie zwei Einkommensquellen, wodurch
die Dauerhaftigkeit eines Gastwirtschaftsbetriebs eher gewährleistet war als bei wirtenden
Tagelöhnern oder Kleingewerblern.
Im Gegensatz zu den vorgenannten Gasthäusern waren in der Gemeinde Rohr gänzlich andere
Voraussetzungen gegeben. Ausdrücklich hieß es in der 1582 erlassenen Polizei-Ordnung
des Klosters St. Peter in § 26, 2: Unnd sollen sunst alle Kaufbrief, Schuldbrief Zinsbrief Ur-
tailbrief Ehabredungen, Verträg, Mannrecht, Abschid [...] in Unnserm Gottshauß geschriben,
aufgerichtet und mit Unserm Abbtey Insigel bekräftiget werden.25 Dies bedeutete, dass alle
wichtigen Abreden und Vertragsabschlüsse, die in der Regel mit bedeutenden Zehrungen verbunden
waren, in St. Peter stattfanden. Ebenso wurden die dreimal im Jahr abgehaltenen Dinggerichte
ausdrücklich nicht im Wirtshaus, sondern entweder auf dem Dinghof oder in St. Peter
selbst abgehalten.26 Zudem legte das Kloster St. Peter keinen Wert auf die Existenz eines Wirtshauses
in Rohr. Schließlich war es schon schwierig genug, im Klosterwirtshaus, das der direkten
Aufsicht des Klosters unterstand, für Ordnung zu sorgen. Wie sollte dies erst in einem Gasthaus
möglich sein, das eine Stunde entfernt lag. Kurz gesagt, man war strikt gegen diese aller
Aufsicht entzogenen Winkelwirtshäuser21 Als Abt Philipp Jakob Steyrer den Pater Cellerar in
verschiedene Ortsteile schickte, um geheime und verbotene Schenken aufzustöbern, machte
dieser allein im Sägendobel mehrere davon ausfindig.28 Beschäftigt man sich mit der Gastwirtschaftsgeschichte
des Schwarzwaldes, so ist die Abneigung, ja sogar Furcht der Amtleute
vor den abgelegenen Winkelwirtshäusern ein ständig wiederkehrendes Motiv.
Größe und Ausstattung eines Gasthauses
Wegen der Funktionen, die dem Gasthaus zugedacht waren, konnte dieses nicht ein beliebiges
Haus in der Gemeinde sein. Vielmehr musste das Gebäude bestimmte Anforderungen hinsichtlich
Größe und Ausstattung erfüllen. Im Streit um die Wirtschaftsgerechtigkeit 1658 in
Unterglottertal kommt klar zum Ausdruck, dass ein „Tagelöhnerhäuslein" hierfür gänzlich ungeeignet
war, da es z.B. nicht über Unterbringungsmöglichkeiten für Reisefuhrwerke und
Pferde verfügte. Auch für die 1820 errichtete Gemeindewirtschaft in Heuweiler galten ähnliche
Bedingungen. Sie sollte Räume bereitstellen, die ausschließlich durchreisenden Fremden
zur Übernachtung vorbehalten waren. Außerdem sahen es die Amtsleute nicht gern, wenn die
Kinder eines Wirtes inmitten des Gasthausbetriebes aufwuchsen. Daher wurde eine klare Trennung
zwischen den Privaträumen des Wirtes und der Gaststube gefordert.29
Die Häuser der Wandelwirte entsprachen in der Regel nicht den genannten Anforderungen.
Da jedes Jahr in einem anderen Bauernhaus gewirtet wurde, lohnte es sich für den Betreiber
nicht, in die Ausstattung des Gasthauses zu investieren. Insbesondere fehlte es an einer separaten
Gaststube, an Übernachtungsmöglichkeiten für Reisende sowie an Futter und Ställen für
Pferde und Kutschen. Alles in allem war diese Form des Wirtens für die Bauern wenig lukra-
25 Franz Kern: Policei Ordnung des Gotteshauß S. Peter auf dem Schwartzwaldt, aufgerichtet und erstlich publi-
ciert im Jar 1582, in: Freiburger Diözesan-Archiv 80 (1960), S. 195-227, hier S. 212.
26 Ebd. S. 225.
2? GLA, 229/90972.
28 Franz Kern: Philipp Jakob Steyrer, 1749-1795 Abt des Benediktinerklosters St. Peter im Schwarzwald, in: Freiburger
Diözesan-Archiv 79 (1959), S. 198.
29 Staatsarchiv Freiburg (StAF), B749/4-244.
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