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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0112
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beiten erforderlich, um Wahrnehmung und Erfahrung der Linienbefestigungen zu stärken. Bei
der Interpretation der Daten ist eine Beschränkung bzw. Reduzierung auf wissenschaftlich
Belegbares nicht immer möglich oder sogar erwünscht. Kompromisse in der Vermittlung und
Präsentation sind unvermeidlich und auch legitim, sofern sie als solche verstanden und unter
wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt werden.

Im Hinblick auf die Vermittlungsarbeit von Fachwissenschaftlern ist es nicht ausreichend,
die Forderung zu stellen, dass sich Archäologen, Historiker, Geografen oder Geologen mit der
Literatur zur besucherorientierten Interpretation auseinandersetzen, bevor sie sich mit freizeitgerechter
Vermittlung der Fachinhalte beschäftigen.30 Es ist ebenso wünschenswert, dass sich
Interpreten ein entsprechendes Allgemeinwissen aneignen und sich zumindest ansatzweise mit
der grundlegenden Fachliteratur befassen, allein schon, um die Phänomene vor Ort einordnen
und die Aussagen lokaler Wissensträger beurteilen zu können. Daneben ist dieses Grundwissen
für die Interpretation von Bedeutung. „Man sieht nur, was man weiß" beinhaltet auch den
für die Präsentation bzw. eine besucherorientierte Interpretation grundlegenden Prozess des
Verstehens. Zuerst muss der Interpret selbst sehen und verstehen. Eine „heritage Interpretation"
hat sowohl touristischen als auch wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Letzteres
bedeutet, dass trotz allgemein verständlicher Darstellung bzw. der Zurückdrängung der Textebene
der Inhalt fachlich richtig wiedergegeben wird.

Ferner sollte die Fähigkeit zu eigenständigen Recherchen fester Bestandteil der Fertigkeiten
eines Interpreten sein. Projektbedingt extern vergebene wissenschaftliche Nachforschungen
und Beratungen sollten von Anfang an eingeholt werden. Steht ein Projekt vor dem Abschluss,
müssen letztendlich zu viele Kompromisse eingegangen werden.

Im Zusammenhang mit dem Schanzenweg von Gersbach ist zu klären, ob Begriffe wie „multifunktionale
Nutzung" oder „Erlebniswert" den Denkmälern und der angestrebten Vermittlung
tatsächlich gerecht werden. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Darstellbarkeit
von Geschichte und nach dem Wert museumspädagogischer Projekte, diese „lebendig" und „erlebbar
" zu machen. Zu bedenken ist, dass Nachbauten und auch Interpretationen Produkte der
Zeit sind, in der sie entstehen. Ferner können subjektive Vorstellungen und ein möglicherweise
verfälschender Aktualismus nicht ausgeschlossen werden. Das Erlebbar-Machen ist ein musealer
Umgang mit dem Publikum. Dabei ist der Modellcharakter der Anlage zu betonen. Die
historischen Quellen liefern nur einen Teil der Informationen, sodass ein darauf beruhender
Nachbau zunächst Teilwahrheiten repräsentiert. Da die Aufnahmen im Gelände noch nicht abgeschlossen
sind und keine archäologischen Grabungen durchgeführt wurden, ist deren Anteil
sehr hoch. Analogien bilden eine weitere Fehlerquelle.

Gersbach wird wie andere Projekte auch möglicherweise Gegenstand kontrovers geführter
Diskussionen werden. Unabhängig von den fachlichen Vorbehalten werden sich die Besucher
dem Erlebnis „Schanze" meist ohne Reflexion hingeben, sodass die zahlreichen Kompromisse
nicht ins Gewicht fallen. Hier kommt die visuelle Wirkung der Schanze zum Tragen, die eher
im Gedächtnis bleibt als andere Formen der musealen oder literarischen Präsentation.31 Da die
Darstellungsformen das Geschichtsbild derart prägen, ist dessen Analyse auch für die wissenschaftliche
Selbstreflexion wichtig. Wie viel Wissen bleibt bei den Besuchern hängen? Was lernen
sie? Wie sind die Darstellungen zu verbessern, um die Thematik angemessen zu vermitteln
? Was ist jeweils unter „angemessen" zu verstehen?32

30 Patrick Lehnes: Landschaftsinterpretation für Touristen und Ausflügler oder: das Erlebnis entsteht (auch) im
Kopf, in: Points of View. Landschaft verstehen, hg. von Richard Schindler, Werner Konold und Jörg Stadelbauer
, Freiburg 2008, S. 125-135, hier S. 130.

31 Vgl. zu dieser Diskussion Claus Ahrens: Wiederaufgebaute Vorzeit. Archäologische Freilichtmuseen in Europa,
Neumünster 1990, bes. S. 177ff.

32 Tagungsbericht Geschichte in populären Medien und Genres. 16.-18.04.2008, Freiburg, in: http://hsozkult.ge-
schichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2149 (24.06.2008).

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