http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0124
I
weitere recht wenig angenehme Überraschung erlebte die Expedition dadurch, dass am
24. früh 275 Träger unter Zurücklassung ihres Lohnes entlaufen waren, anscheinend, weil sie
die Gefahren einer Expedition fürchteten. Die Anwerbung neuer Träger war äußerst schwierig
... und es mussten die angeworbenen Leute ständig bewacht werden."4
Von Morogoro aus setzte sich die Kolonne mit 426 Trägern gegen die Widunda-Bevölkerung
in Bewegung. Am 31. Dezember 1905 kam es zum ersten Gefecht, das durch den Einsatz des
Maschinengewehrs entschieden wurde. Im Zielgebiet Anfang Januar 1906 angekommen,
konnte man der Häuptlinge Mkurumzima und Kitalika sowie des Jumben (Ortsältesten) Mg-
wira, die man für den Aufstand verantwortlich machte, nicht habhaft werden. Und so nahm man
einen konzentrischen Angriff auf den Lijunge-Berg vor, auf den sich ein Teil der Bevölkerung
zurückgezogen hatte. Als sich die in ein Höhlensystem Geflüchteten nicht ergeben wollten, feuerte
die Schutztruppe mit ihrem Kolonialgeschütz hinein: „Die Wirkung dieser Granatschüsse,
welche einige der Verteidiger getötet hatten, veranlaßte den Rest der Leute sich zu ergeben. Die
Zahl der in der Höhle befindlichen Leute betrug 160, fast durchweg Frauen und Kinder. Ferner
waren zahlreiche Ziegen, Hühner und Lebensmittel in derselben."5 Die Frauen und Kinder
wurden als Geiseln genommen, was mit den Männern geschah, ist nicht überliefert. Nach einzelnen
kleinen Gefechten in den kommenden Tagen wurde der offene Widerstand in der Gegend
als gebrochen angesehen. Zur Bestrafung wurden die Hütten der Widunda abgebrannt und
ihre Vorräte vernichtet. Die 15. Kompanie verblieb als Besatzungstruppe.6 Auf kaiserliche
Order vom 8. Juni 1906 bekam Max Knecht für die Teilnahme an den militärischen Aktionen
den Königlichen Kronen-Orden 4. Klasse mit Schwertern verliehen.7 Die deutsche Strategie
der verbrannten Erde hatte fatale Folgen: Hungersnöte und Seuchen brachen aus und forderten
weit mehr Opfer als die unmittelbaren Kämpfe. Während bei den Europäern von 15 Kriegstoten
ausgegangen wird, ist die Zahl auf Seiten der Afrikaner unsicher. 180.000 Opfer gelten heute
als wahrscheinlich.8
Im Herbst 1906 wurde Knecht im ruandischen Teil der Kolonie mit der Leitung des Grenzpostens
Kissenji (Gisenyi), einem landschaftlich außerordentlich reizvollen Ort am Kiwusee
betraut (Abb. 1). Seine Aufgabe bestand in erster Linie in der Wahrung der deutschen Interessen
gegenüber der belgischen Kongo-Regierung wegen der damals noch nicht festliegenden
Grenzziehung. In seine Zeit als Stationsleiter fiel auch der längere Besuch der groß angelegten
Innerafrikaexpedition von Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg in den Jahren 1907/08. Der
Herzog, der später Gouverneur der Kolonie Togo, Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft
(DKG) und von 1949 bis 1951 erster Präsident des Deutschen Olympischen Komitees
werden sollte, erwähnte Knecht einige Male in seinem Reisebericht: „Erstaunlich ist Kis-
senjis Entwicklung. Noch im Jahre 1906 hatte der Ort aus wenigen Eingeborenen-Hütten bestanden
. ... Und jetzt, nach Jahresfrist, bot sich dem erstaunten Auge ein blühender und täglich
wachsender Handelsort mit einer Einwohnerzahl dar, die 800 übertraf, und in 80 Duka (= Kaufläden
) trieb man schwunghaften Handel. Die Entwicklung des Platzes, die in erster Linie der
Energie und der geschickten Politik des Oberleutnants Knecht zu danken ist, der ihn bald nach
seiner Anlage übernahm, gibt wiederum ein schönes Zeugnis von der Leistungsfähigkeit des
deutschen Offiziers, wenn ihm freie Hand gelassen wird, Kraft und Willen zu entfalten." 9
4 Ebd.
5 Deutsch-Ostafrikanische Zeitung, 9.2.1907.
6 Ebd.; siehe auch Adolf Graf von Goetzen: Deutsch-Ostafrika im Aufstand 1905/06, Berlin 1909, S. 190.
7 Deutsches Kolonialblatt, 15.6.1907, S. 425.
8 Ludger Wimmelbücker: Verbrannte Erde. Zu den BevölkerungsVerlusten als Folge des Maji-Maji-Krieges, in:
Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905-1907, hg. von Felicitas Becker und Jigal Beez, Berlin 2005,
S. 87-99.
9 Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg: Ins innerste Afrika. Bericht über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen
Zentral-Afrika-Expedition 1907-1908, Leipzig 1909, S. 147.
124
i
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0124