Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0128
I

Tatsächlich lag aber der Anteil der Studenten und Schüler in der Einwohnerwehr im November
1919 mit 41,1 Prozent weit über dem der Arbeiter mit 6,4 Prozent (bei einer Gesamtstärke
von 1.330 Mitgliedern), ein Abbau dieses Übergewichts hatte in der Einwohnerwehr real noch
kaum statt gefunden.21 Die sozialdemokratisch gefärbte Kompanie Stühlinger bildete die Ausnahme
.

Eine Pikanterie bildete Knechts persönliche Sammlung von Geld bei hiesigen Banken und
Geschäftsleuten zur Finanzierung der Einwohnerwehr. Bislang hätten weder Stadt noch Staat
nennenswerte Mittel zur Verfügung gestellt, wie er freimütig gegenüber Oberbürgermeister
Thoma erklärte.22 Dabei hatte Innenminister Anton Remmele einen Monat zuvor mitgeteilt,
dass private Sammlungen zugunsten der Einwohnerwehren nicht wünschenswert und mit deren
Zweck unvereinbar seien.23

Die Bewaffnung war eine stark reglementierte Frage, da Freiburg in der beim Waffenstillstand
von den Alliierten vorgegebenen „neutralen Zone" lag. (Dauer)bewaffnete Truppen durften
keine stationiert werden, weshalb außerhalb des jeweiligen Einsatzes die Waffen zentral in
der Karlskaserne und in der Gewerbeschule bei der Johanneskirche gelagert wurden. Allerdings
existierte ein geheimer Bataillons-Stoßtrupp, der von dessen Organisator mit Handwaffen ausgestattet
worden war. Zufällig bekam der Bürgerratsvorsitzende Bielefeld im November 1919
davon Kenntnis und fragte bei Knecht an, ob dies stimme. Dieser antwortete: Der Btls.Stoss-
trupp ist nach meinen Anweisungen u. mit meinem Einverständnis von dem Angehörigen der
Einwohnerwehr, Baron von Sebottendorff, organisiert. Der Stosstrupp tritt nach Erfüllung seiner
Aufgaben zur zuständigen Kompagnie. Mit Handwaffen ist der Trupp von der Wehr nicht
ausgestattet.24 Götz von Olenhusen hat darauf hingewiesen, dass diese Antwort mehr Fragen
aufwirft, als sie beantwortet. Art und Dauer der Aufgabe dieses geheimen Stoßtrupps blieben
im Unklaren. Bielefeld hatte von einem Studenten, der dem Stoßtrupp angehörte, erfahren, dass
Sebottendorff diese Einheit mit Waffen ausgestattet hatte. Knechts Antwort lässt dies offen, da
er lediglich behauptete, die Wehr selbst habe ihn nicht mit Waffen ausgestattet.

Bei Sebottendorff alias Rudolf Glauer (1875-1945) handelte es sich ab ca. 1917 um einen
der aktivsten Agitatoren der militanten rechtsextremen Szene in Deutschland. Anfang 1919
stellte Sebottendorff das „Freikorps Oberland" auf, das im Mai 1919 an der Zerschlagung der
sozialistischen Münchner Räterepublik beteiligt war.25 Im Herbst 1919 kam er nach Freiburg
und wurde am 20. November als Mitglied Nr. 1138 der Einwohnerwehr der Kompanie Unterwiehre
, Gruppe 2, zugeteilt. Das Freiburger Bezirksamt teilte dem misstrauisch gewordenen
Bielefeld bereits im Dezember mit, dass von der Anknüpfung irgendwelcher Beziehungen zu
Glauer dringend abzuraten sei, da es sich bei dieser Person zweifellos um einen ganz gefährlichen
Hochstapler handele, der Adelsprädikat und Titel wohl zu unrecht führe.26 Sebottendorff
wurde allerdings erst Ende Februar 1920 - also kurz vor dem Kapp-Putsch - aus der Mitgliederliste
der Einwohnerwehr gestrichen27 und schließlich am 20. Juli 1920 aus Baden ausge-

21 Schreiben von Knecht an Oberbürgermeister Thoma vom 12.11.1919. Im Reserve-Miliz-Bataillon lag der studentische
Anteil im Juli 1919 bei 44,7 %, StadtAF, C3/780/15.

22 Schreiben von Knecht an den Freiburger Stadtrat vom 9.11.1919, ebd.

23 Städte-Rundschreiben von Innenminister Remmele vom 7.10.1919, ebd.

24 Schreiben vom 14.11.1919, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 69 Bürgerrat Freiburg, siehe auch Albrecht
Götz von Olenhusen: Bürgerrat, Einwohnerwehr und Gegenrevolution Freiburg 1918-1920. Zugleich ein Beitrag
zur Biographie des Rudolf Freiherr von Sebottendorff, in: Wege und Abwege. Beiträge zur europäischen
Geistesgeschichte der Neuzeit, hg. von Albrecht Götz von Olenhusen u.a., Freiburg 2003, S. 115-134.

25 Olenhusen (wie Anm. 24), S. 124.

26 Schreiben des Bezirksamts Va Freiburg (Amtmann Häussner) vom 22.12.1919 an den Vorsitzenden des Bürgerrats
Dr. Bielefeld, GLA, 69 Bürgerrat Freiburg.

27 Laut Einwohnerwehr-Mitteilung Nr. 30 vom 26.2.1920, StadtAF, K2/5 Schachtel 2.

128

i


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0128