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I
tätig gewesen war, kam er 1921 ins Kinzigtal. Später wirkte er im Bodenseebereich und
übernahm 1931 eine Gemeinde im mittleren Schwarzwald. Über seinen Dienst in allen
Gemeinden wurde immer positiv berichtet. 1937 erfolgte seine Festnahme. Darüber wurde
im „Offenburger Tageblatt" mit Namen, Dienstort und Grund der Anklage (§ 175 StGB)
offen berichtet. Die NSDAP, die Gestapo und das Reichsjustizministerium in Berlin
interessierten sich für den Fall und so ging die Akte vor dem Prozess ans Reichsjustizministerium
. Sie kam mit der Forderung zurück, durch den Vertreter der Anklage ... mit
allem Nachdruck auf eine empfindliche Bestrafung hinwirken zu lassen. Ich lege Wert darauf
dass die Hauptverhandlung unauffällig ohne besonderes Aufsehen durchgeführt wird.
Die Beweislast war erdrückend und Pfarrer A. war auch geständig. Am 15. Mai 1939 verurteilte
ihn das Landgericht Offenburg wegen homosexueller Vergehen und Verbrechen zu
einer Strafe von 3 Jahren Zuchthaus abzüglich Wi Jahre Untersuchungshaft und 3 Jahren
Ehrverlust2. Er verbrachte die restlichen IV2 Jahre im Zuchthaus Bruchsal. Nach seiner
Entlassung Ende 1940 zwang ihn ein völliger körperlich-seelischer Zusammenbruch zu
einer zweijährigen Erholungspause. Er wurde vom Dienst befreit und übernahm nie wieder
eine eigene Gemeinde. Als Priester im Ruhestand half er in einigen Gemeinden aus.
Nach einem schweren Unfall 1973 verbrachte er seine letzten Lebensjahre im Hospital.
1977 verstarb er fast 87-jährig und wurde am Bodensee begraben.3
Graf von A.
Auch ein Adliger war unter den Opfern der Nazis in Südbaden. Graf von A. wurde 1885
in einer Gemeinde des Markgräflerlands geboren. Er war katholisch, ledig und diente
beim Militär. Zur Zeit seiner Verhaftung war er Major a.D. Eine Prozessakte ist nicht vorhanden
, auch das Register für Hauptverfahren des Landgerichts Freiburg, Abt. 3, fehlt.
Das Register für Vorverfahren belegt aber, dass im April 1937 ein Prozess gegen Graf von
A. und vier weitere Männer wegen § 175 StGB eröffnet wurde. Vermutlich wurde er verurteilt
, denn 1939 saß er im Gefängnis Freiburg ein. Anschließend war er in den Berliner
Gefängnissen Moabit und Tegel inhaftiert. Am 8. Oktober 1942 kam er zur „Sicherungsverwahrung
" als „Schutzhäftling" in das KZ Dachau. Dort wurde er erst bei Kriegsende
aus dem KZ befreit.4
Markus Behmer
Markus Behmer wurde am 1. Oktober 1879 in Weimar geboren. Sein Vater war Landschafts
- und Porträtmaler. Behmer meinte, dass sein Vater neben normal geschlechtlichen
Erregungen homosexuelle Tendenzen gehabt habe, ohne dass diese zu Entgleisungen geführt
hätten. Der Vater fertigte auch Nacktbilder von Männern an, die in der Wohnung aufgestellt
waren. Von einer Reise aus Italien hatte er einen jungen Mann als Modell für seine
Malerarbeiten mitgebracht. Markus' Mutter war eine außergewöhnliche Frau. Sie soll in
2 Ehrverlust bedeutete damals den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, der Rechte, die einem als Staatsbürger zustehen
. Das sind in erster Linie das Recht zu wählen, das Recht gewählt zu werden und das Recht, öffentliche
Ämter auszuüben. Dazu kommt der Verlust aller Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Ehrverlust war bei
Todesstrafen und Zuchthausstrafen zwingend, wurde bei Gefängnisstrafen in Ausnahmefällen verhängt. Bei
Gefängnisstrafen konnte Ehrverlust 1 bis 5 Jahre betragen, bei Zuchthausstrafen 2 bis 10 Jahre. Ehrverlust bedeutete
in der NS-Zeit praktisch den Ausschluss aus der „Volksgemeinschaft". Diese Strafe bestand nach 1945
weiter und wurde 1969 in der BRD abgeschafft. Man war der Meinung, dass Ehrverlust die Wiedereingliederung
der Gefangenen nach deren Entlassung zu sehr erschwere.
3 Staatsarchiv Freiburg (StAF), Bestand A 43/1, Nr. 204 + 205, Prozessakte; Necrologium Friburgense 1976-1980,
in: Freiburger Diözesanarchiv 102 (1982), S. 134-252, hier S. 163f.
4 Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau; StAF, Bestand F 176/19 Nr. 9406, Register für Vorverfahren, Abt. 3, 1936.
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