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Sterbeurkunde zu entnehmen, dass er erst am 2. Januar 1945, 6.25 Uhr, an Enterocolitis
verstarb. Die Sterbeurkunde für Julius M. ist ein typisches Beispiel für die Verlogenheit
der Urkunden aus den Konzentrationslagern.27
Franz M.
Der Arbeiter Franz M., katholisch und ledig, wurde 1906 in einem Dorf im Hegau geboren
. Er litt an angeborenem Schwachsinn mäßigen Grades. Am 19. August 1937 verurteilte
ihn das Landgericht Konstanz wegen acht „Verbrechen" nach § 175 StGB zu 6 Monaten
Gefängnis. Außerdem wurde eine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt
nach verbüßter Strafe angeordnet. Nachdem er im Gefängnis Konstanz seine Strafe abgesessen
hatte, kam er in die Anstalt auf der Insel Reichenau, dann nach Emmendingen. Im
Mai 1940 wurde er in eine „unbekannte" Anstalt verlegt. Diese Anstalt war Grafeneck, wo
er am 2. Juli 1940 zu Tode kam. Die Sterbeurkunde gibt als Todesursache Stirnhöhlenvereiterung
an. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass er dort im Rahmen der 1940 durchgeführten
Euthanasieaktion vergast wurde.28
Edwin Rümmele
Edwin Rümmele stammte aus Häg bei Schopfheim, wo er am 26. Mai 1892 das Licht der
Welt erblickte. Er besuchte die Volks- und Fortbildungsschule. Er war römisch-katholisch
und arbeitete in verschiedenen Dienststellen als Melker in Klosterbetrieben. Von Oktober
1912 an diente er aktiv beim 5. Infanterieregiment 114 in Konstanz. Mit diesem Regiment
zog er 1914 ins Feld. Im Heeresdienst führte er sich ganz besonders gut. Die Beurteilungen
reichen von gut bis zu sehr gut und vorzüglich. 1914 wurde er zum Gefreiten, dann
zum Unteroffizier und 1915 wegen hoher Tapferkeit vor dem Feinde sogar zum Vizefeldwebel
befördert. Am 1. Dezember 1914 verletzte ihn ein Streifschuss am Kopf und am
27. Juli 1917 wurde er durch einen Granatsplitter am linken Oberschenkel verwundet.
1915 erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse und 1916 die Badische Silberne Verdienstmedaille
. Rümmele schrieb viel später, 1938, einen langen Brief an seinen Anwalt und
schilderte die Hölle des Ersten Weltkriegs, die er in Frankreich erlebt hatte. Trotzdem trat
er 1919 in das Badische Freiwilligen-Bataillon 2 ein.
Im Juni 1919 schloss er sich - anscheinend nach einer unglücklichen Liebe - in Feldkirch
als Laienbruder dem Jesuitenorden an und legte 2 Jahre später das Gelübde ab. Von
1924 bis 1933 war er Leiter der Klostergärtnerei in Pullach bei München. Im September
1933 kam er nach St. Blasien, wo er die Funktion des Obergärtners übernahm. Nachdem
aber geschlechtliche „Verirrungen" aus den Jahren 1934/35 bekannt wurden, verfügte der
Provinzial seine Entfernung aus dem Orden. Wegen dieser „Sittlichkeitsverbrechen"
wurde er am 12. November 1935 von der Großen Strafkammer Waldshut zu 1 Jahr und
10 Monaten Gefängnis sowie 2 Jahren Ehrverlust verurteilt. Seine Strafe verbüßte er im
Gefängnis Freiburg. Dort wurde er am 19. Januar 1937 auf Bewährung entlassen.
Rümmele arbeitete ab 1937 bei dem Gärtnermeister Wacker in Freiburg als Gehilfe und
bewohnte ein Zimmer in der Steinstr. 9 (heute Berliner Allee 9), in das einige Monate später
auch der Gärtnerlehrling German S. einzog. Ab Juni 1937 bis März 1938 kam es wiederholt
zu sexuellen Kontakten zwischen den beiden Männern. In dieser Zeit überhäufte
Rümmele German S. mit Geschenken - einer neuen Armbanduhr, einer Herrentaschenuhr
, einem neuen Pullover, einem Paar Strümpfe, Briefpapier und jede Woche einer Mark,
einmal sogar 5 Reichsmark.
27 StAF, Bestand A 40/1, Nr. 448, Prozessakte; Archiv der Gedenkstätte Dachau.
28 StAF, Bestand D 81/1, Nr. 516, Prozessakte.
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