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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0174
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marer Republik, Bürgermeister und Kommunalbeamte aufgenommen werden mussten.11 Der
in Freiburg bekannteste Fall ist der des verdrängten Oberbürgermeisters Karl Bender, der seit
Juni 1933 als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Karlsruhe tätig war.12

Einiges spricht dafür, dass Bader in der Anwaltschaft nicht sein Metier sah: die Tätigkeit als
Archivleiter des Fürstlich Fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen seit 1937, die durch
zahlreiche Publikationen vorbereitete Habilitation und Dozentur für Rechtsgeschichte sowie
Kirchenrecht 1942 und schließlich der sofortige Entschluss zur Rückkehr in den Justizdienst
1945. Die Anwaltstätigkeit blieb Episode, an die nach Kriegsende allenfalls noch das zur Büroausstattung
mitgenommene Mobiliar der einstigen Kanzlei erinnerte.13

Trotz wirtschaftlich schwieriger Lage ließ sich Baders Anwaltspraxis recht gut an: ... gefördert
, so die Erinnerung, vom mir gewogen bleibenden Schwerin. Im Anwaltsbereich keine
großen Erfolge, aber nach dem Wegfall der Unterstützung durch den in Wien selbst immer mehr
in Bedrängnis geratenen Papa Weiss soviel, dass der Junggeselle leben, - sogar ein ,Autöchen'
anschaffen könnend - in Distanz zu allem und jedem, vor allem zu allem Politischen, existieren
konnte.14 Die Praxis entwickelte sich sogar so gut, dass nach drei Jahren mit Hans Eisele
ein Sozius aufgenommen werden konnte - ein Bader zufolge sehr liebenswürdiger jüngerer
Kollege, der dem Regime nie auch nur den kleinsten Tribut zollte und in dem von diesem Regime
angezettelten Krieg sein Leben verlor.15 Offensichtlich verfügte Rechtsanwalt Bader auch
damals über jene Energie und Schaffenskraft, wie sie für die Zeit unmittelbar nach Kriegsende
die Tagebuchaufzeichnungen verdeutlichen. Jedenfalls fand er in jenen Vorkriegsjahren genügend
Freiraum für wissenschaftliches Arbeiten. Die Reflexion rechtsgeschichtlicher und
rechtsphilosophischer Kernfragen war nicht nur für ihn Mittel der Selbstbesinnung und Standortbestimmung
in einem politischen System, das gerade aus der eigenen Berufserfahrung heraus
als Unrechtsstaat erlebt wurde. Alexander Hollerbach verweist auf die briefliche Bekanntschaft
Baders mit Gustav Radbruch, den er in Heidelberger Studententagen als Lehrenden erlebt
hatte. Radbruch hatte sich nach seiner Zwangsemeritierung intensiv mit dem befasst, was
Ernst Fraenkel als Dominanz des Politischen über rechtliche Normen beschrieb. Die Tendenz
meines Vortrags, schrieb Radbruch 1937 dem Rechtsphilosophen Carl August Emge, richtet
sich gegen die heute übliche Überschätzung der Idee des Gemeinwohls gegenüber den Leitgedanken
der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit.16 In der Endphase meiner anwaltlichen Tätigkeit
, so Ernst Fraenkel, habe ich den eigentlichen Nutzen meiner Zulassung zur Anwaltschaft
im Besitz des Anwaltsausweises erblickt, der mir die Benutzung der Präsenzbibliothek des
Kammergerichts und der Staatsbibliothek ermöglichte.11 Fraenkels „Doppelstaat", Produkt sowohl
der berufspraktischen Alltagserfahrung wie der politisch erzwungenen Muße, war wohl
die profundeste, in der sogenannten „inneren Emigration" entstandene wissenschaftliche Strukturanalyse
der NS-Diktatur. Die Briefe Radbruchs zeigen jedoch wie die vornehmlich rechtshistorischen
Arbeiten Karl Siegfried Baders recht eindrücklich, dass in diktatorischen Systemen
auch die Analyse vergangener Rechtszustände und Rechtsentwicklungen die Dimension
einer zeitkritischen Reflexion gewinnen konnte.

11 Vgl. Entschließung des Vorstands der Badischen Anwaltskammer vom 22. April 1933, GLA, 234/6294.

12 Vgl. Peter Fässler: Karl Bender, in: Freiburger Biographien, hg. von Peter Kalchthaler und Walter Preker,
Freiburg 2002, S. 236f.

13 Tagebuch von Karl S. Bader Juli 1945 bis Juni 1946, bearb. von Ulrich Weber, in: Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre
. Badische Politik nach 1945, hg. von Paul-Ludwig Weinacht, Sigmaringendorf 1988, S. 35-88, hier S. 40f.

14 Bader (wie Anm. 4), S. 111.

15 Karl Siegfried Bader: In testimonium caritatis, in: Freiburger Rundbrief XII (1959/60), 26. September 1960,
S. 30. Zu Eisele vgl. GLA, 69 Rechtsanwaltskammer Karlsruhe Nr. 156, und GLA, 465c/906.

16 Radbruch an Carl August Emge, 27. Oktober 1940, in: Gustav Radbruch: Briefe II (1919-1949), Heidelberg
1995, S. 166.

17 Ernst Fraenkel: Der Doppelstaat, Hamburg 22001, S. 45.

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