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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0175
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Justiz im NS-Staat: Das professionelle Umfeld

Der Anwaltsberuf, den Bader 1933 ergriff, hatte bei den Nationalsozialisten ein nur geringes
Prestige. Daran änderte weder der Einsatz wohlwollender Verteidiger für die „Straftäter der Bewegung
" noch gar die Führungsrolle manches Anwalts im Bund nationalsozialistischer deutscher
Juristen Wesentliches. Der NS-Staat misstraute einem Berufsstand, der sich der Gleichschaltung
und Lenkung partiell eher entziehen konnte als die beamteten Richter und Staatsanwälte
. Vor allem aber sah er in ihm den Interessenvertreter des Einzelnen gegen den Staat, den
Parteinehmer des „individuellen Egoismus gegen den Volksstaat", ja den Verräter an der sogenannten
„Volksgemeinschaft". Der Anwalt, war 1933 im Jahresbericht der Badischen Anwaltskammer
zu lesen, darf künftighin nicht mehr seine ausschließliche Aufgabe darin erblicken
, den egoistischen Zielen der von ihm vertretenen Partei unter allen Umständen zum
Sieg zu verhelfen. Er wird sich vielmehr bewusst sein müssen, dass er der Träger einer wichtigen
staatlichen Funktion ist. Dem gemäß wird er bei allen seinen Maßnahmen das den Wünschen
des Einzelnen vorgehende Interesse des Volksganzen niemals außer Acht lassen dürfen,
geleitet von dem Grundsatz: , Recht ist, was dem Volke nützt, Unrecht, was ihm schadet/ Nur
wenn die Anwaltschaft in diesem Sinne der Rechtspflege dient, wird sie ihre Pflicht Staat und
Volk gegenüber erfüllen und ihre Unentbehrlichkeit auch im neuen Reich dartun.ls

So wurde die herkömmliche Berufsbezeichnung zum Synonym der Parteinahme für Egoismus
und Einzelinteresse, wohingegen sich der systemkonforme Vertreter des sogenannten
„Volksinteresses" fortan „Rechtswahrer" nannte. Dass da im Unrechtsstaat kein Recht mehr zu
wahren war, konstatierte Bader rückblickend in bitterer Ironie.19 Tatsächlich zeigte mancher
seiner anwaltlichen Berufskollegen, dass er das veränderte Berufsbild, die neue Aufgabenzuweisung
nur allzu rasch internalisiert hatte. Wer dagegen wie Bader dem anwaltlichen Berufsethos
verpflichtet blieb, der spürte nur zu sehr das Misstrauen von Parteistellen und Justiz dem
so gesehenen Komplizen des Straftäters gegenüber: Wer... nach 1933 als Verteidiger auftrat,
fand eine unerfreuliche, abweisende Atmosphäre; der Verteidiger war so etwas wie der , Gehilfe
des Diebes'.20 Der Verteidiger konnte so unversehens zum Mittäter und strafwürdigen
Volksschädling werden. Jede ernsthafte Verteidigung bedeutete demnach einen Akt eminenter
S elb stgefährdung.21

Gleichwohl waren keineswegs sämtliche Freiburger Anwaltskollegen Baders systemkonforme
„Rechtswahrer" des NS-Staats. Es gab unter ihnen unbestritten Parteifanatiker wie den
Ratsherrn und Sektionsführer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen
(BNSDJ/NSRB) Franz Schandelmaier.22 Doch waren sie im professionellen Milieu eines vornehmlich
wirtschaftsliberal denkenden Berufszweigs eher randständig. Nach 1933 verbreiteter
war die verschieden weitgehende Anpassung an die veränderten politischen Verhältnisse, meist
motiviert von Hoffnungen respektive Befürchtungen hinsichtlich der Erlangung von Mandaten.
Ich habe zwar im August 1935 ... ein Antragsformular auf Aufnahme in die NSDAP unterfertigt
, lautete eine von vielen nachträglichen Rechtfertigungen, aber nicht aus eigenem Willensentschluß
, sondern durch ... ausgeübten Gewissenszwang, daß eine Weiterbeschäftigung
[als Vertrauensanwalt der Deutschen Bahn] nur noch in Frage komme, wenn ich durch den Eintritt
in die NSDAP meine Loyalität zum neuen Staat bekunde.23 Zugeständnisse machten mit

18 Jahresbericht der Badischen Anwaltskammer 1933, S. 4.

19 Karl Siegfried Bader: Die deutschen Juristen, Tübingen 1947, S. 5.

20 Karl Siegfried Bader: Die Wiederherstellung rechts staatlicher Garantien im deutschen Strafprozess nach 1945,
in: Strafprozess und Rechtsstaat, Festschrift zum 70. Geb. v. H. F. Pfenninger, Zürich 1956, S. 1-14, hier S. 7f.

21 Karl Siegfried Bader: Strafverteidigung vor deutschen Gerichten im Dritten Reich, in: Juristenzeitung 27
(1972), S. 6-12, hierS. 7.

22 Vgl. Staatsarchiv Freiburg (StAF), F 166/1, Nr. 129.

23 Rechtsanwalt Otto Figlestahler an den öffentlichen Kläger der Spruchkammer Karlsruhe, 5. Juni 1946, GLA,
465a/51/6/3069.

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