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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0204
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und gedemütigt wurde, 1945 jedoch „die kühlen Schatten der Elendsjahre" hinter sich ließ und nach Freiburg
zurückkehrte. Hier war er geboren, hier hatte er studiert, als Rechtsanwalt praktiziert und sich als
Stadtrat engagiert. Neben dem Neubeginn in seinem Beruf nahm Grumbach seine früheren kulturellen Aktivitäten
wieder auf. 1946 regte er eine Gedenkveranstaltung zum 30. Todestag des Schriftstellers Heinrich
Hansjakob, den er noch persönlich gekannt hatte, an. Auch das Andenken an Emil Gött und Johann
Peter Hebel lag ihm am Herzen. Er war „frei von Ressentiments". Diese Formulierung benützte das baden-
württembergische Justizministerium im Rückblick auf Grumbachs Leistung als Rechtsbeistand in Resti-
tutions- und Wiedergutmachungsverfahren.

Die Stadt Freiburg ernannte 1947 Grumbach zum Ehrenbürger. Und nun - 60 Jahre später - erschien
in einer Publikationsreihe der Stadt die ausführliche Lebensbeschreibung, erarbeitet von Hans Schadek,
dem früheren Leiter des Stadtarchivs. Eindrucksvoll ist die breite Quellen- und Literaturbasis aus Beständen
von drei Freiburger Archiven: Stadt-, Staats- und Universitätsarchiv, sowie der Stadtarchive
Breisach und Mannheim. Der Autor stützt sich darüber hinaus auf Unterlagen aus dem Besitz von Verwandten
und deren Nachfahren, die in den USA leben. Besonders hilfreich waren Informationen von
Helga Paepcke, der 2005 verstorbenen Schwiegertochter von Lotte Paepcke. Diese ist als Autorin des Buches
„Ein kleiner Händler, der mein Vater war", der Lebensgeschichte ihres Vaters Max Mayer, Kaufmann
und Inhaber eines Ledergeschäfts, bekannt.

Max Mayer war Robert Grumbachs bester Freund. Beide standen lebenslang in Verbindung. Auch in
den Jahren der Bedrängnis tauschten sie regelmäßig Briefe aus, von denen viele erhalten und inzwischen
im Stadtarchiv Freiburg gesichert sind. Max Mayer emigrierte nach dem Novemberpogrom 1938 über die
Schweiz in die Vereinigten Staaten. Er beurteilte die politische Entwicklung in Deutschland realistischer
als Grumbach, der in seinem Optimismus zu lange ausharrte. Aber auch nach fünf leidvollen Jahren in
französischen Lagern ließ Grumbach es sich nicht nehmen, die Welt „durch seine rosarote Brille zu
sehen", um eine Formulierung von Max Mayer aufzugreifen. In einer Beziehung hatte Grumbach Grund,
seine Lage nach 1945 positiv zu sehen: Seine Wohnung in der Wiehre war dank einer finanziellen Intervention
eines Verwandten den Krieg über unangetastet geblieben.

Schadek zeichnet die Person Grumbachs lebensecht mit Stärken und Schwächen nach und bezieht dessen
soziales Umfeld mit ein. Ausführlich schreibt er über Grumbachs Freundschaft mit dem SPD-Reichstagsabgeordneten
Ludwig Frank, der 1914 als Freiwilliger in den Krieg zog und früh gefallen ist. Beide
kannten sich vom Jurastudium in Freiburg und beide verband die jüdische Abkunft und die politische Einstellung
. Frank war mit einer Schwester Grumbachs verlobt, löste jedoch die Bindung wieder, was die
Freundschaft der beiden jungen Juristen trübte. Dass es ihm wegen Franks frühem Tod versagt blieb, das
Verhältnis zu heilen, verfolgte den auf Harmonie bedachten Grumbach noch jahrelang. 1917 veröffentlichte
er eine Erzählung „Die Freie Burg", worin Frank eine zentrale Rolle spielt. Der zeitliche Rahmen
sind die 1890er-Jahre, die gemeinsame Studienzeit. Ein weiterer Studienfreund wird darin portraitiert: der
Mediziner Ludwig Woltmann, der versuchte, die sozialdarwinistischen Ideen Haeckels mit dem Marxismus
zu kombinieren. Er wurde damit zu einer schillernden Figur in der Geschichte der Sozialdemokratie
und lieferte Wasser auf die Mühlen der Nationalsozialisten. Die dritte Hauptfigur ist der Dichter und Lebensreformer
Emil Gött. Dieser gedruckten Quelle, zu der Max Mayer ein Vorwort mit kritischen Zwischentönen
schrieb und die in Teilen rätselhaft bleibt, widmet Schadek ein eigenes Kapitel „Hebel, Gött
und Hansjakob", denn auch der protestantische Prälat und Dichter sowie katholische Pfarrherr von St.
Martin gehören zu den Akteuren in Grumbachs „Freier Burg".

In den ungedruckten Quellen stieß Schadek auf viele Namen von Menschen, die Grumbach durch seine
berufliche und politische Tätigkeit kannte, mit denen er durch sein geselliges Wesen oder seine Begeisterung
für Schwarzwald-Wanderungen in Verbindung stand. Er bezieht sie alle in den Text ein und bringt
zusätzliche Informationen, die er ermitteln konnte, im Anmerkungsapparat unter. Dieser ist 50 Seiten stark
und macht damit ein Drittel des Bandes aus. Das Personenregister verzeichnet ca. 600 Namen, zu denen
Daten und Belegstellen verfügbar gemacht wurden. - Die Veröffentlichung, die der Autor im Vorwort „Ein
alemannisches Leben" nennt, ist eine spannende Lektüre, im besten Sinne ein Stück Vergangenheitsbewältigung
und ein nützliches Nachschlagewerk. Renate Liessem-Breinlinger

Volker G. Scheer: Kandern. Stadt seit 1810. Ereignisse, Personen und Bilder der Kanderner Stadtgeschichte
seit der Stadterhebung und bekannte und bedeutende Personen aus der älteren Geschichte Kan-
derns, Selbstverlag, Kandern 2005, 488 S., zahlreiche Färb- und S/W-Abb.

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