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Eine besondere Bedeutung bei den Bürgerkriegskämpfen im Frühjahre 1848 in Baden hatte die kleine Industriestadt
Kandern im Markgräflerland. Dort befand sich seinerzeit das Hauptquartier der Revolutionäre
um Friedrich Hecker und Gustav Struve, die nach ihrer Niederlage im Frankfurter Vorparlament durch einen
bewaffneten Zug mit ihren Getreuen von Konstanz nach Karlsruhe eine politische Wende erhofften.
Am 20. April 1848 kam es in Kandern zu der Begegnung Heckers mit dem General der Bundestruppen
Friedrich Freiherr von Gagern an der Hundstallbrücke in Kandern und einem anschließenden Gefecht auf
der Scheideck, bei welchem der General blieb. Doch war bereits zu diesem Zeitpunkt der Aufstand zusammengebrochen
, die Kämpfe an Ostern in Günterstal und Freiburg waren nur noch letzte Zuckungen
einer insgesamt schlecht und verantwortungslos geplanten Aktion Heckers und Struves. Auch ein Jahr später
flammen erneut Unruhen in dieser großherzoglichen Amtsstadt auf. Dies und vieles mehr zur Ortsgeschichte
erfahren wir in einer Chronik von Volker G. Scheer, die mit der Stadterhebung des bereits im
Codex Laureshamensis erwähnten Ortes im Jahr 1810 beginnt und bis zum Jahr 2005 fortführt. Der Chronist
- Betriebswirt und langjähriger Stadtrat - erschlägt uns gleichsam mit dieser knapp 500-seitigen
Fleißarbeit, die uns ohne Vorwort und historische Einführung in den Strom der Ereignisse in Kandern im
Verlaufe von 195 Jahren wirft und uns am Ende taumelnd und verwirrt wieder entlässt, bar jeder Kenntnis
um Bedeutung und Wesen dieser Stadt am Fuße des Hochblauen. Sicher, die jeweiligen Tagesmeldungen
zu mehr oder weniger erwähnenswerten Vorkommnissen mögen der Ortsverwaltung bei Jubiläen
und dergleichen hilfreich sein, ohne den historischen Zusammenhang und die Einbettung der Ortsgeschichte
in denselben vermögen die chronikalischen Aufzählungen nur wenig Aussagekraft zu gewinnen.
Zwei Einträge mögen dies illustrieren: „6.8.[1849]: Leutnant von Arnim vom Königlich-Preußischen
24. Infanterieregiment verewigt sich im Willkommbuch zur ,goldenen Sau' und rühmt die , Gastlichkeit in
Land und Haus'. 9.8.: Der Rümminger Friedrich Neff wird in Freiburg standrechtlich erschossen." (S. 47).
Der Anteil des 19. Jahrhunderts ist zudem mit 103 Seiten gegenüber dem folgenden mit 331 Seiten
offensichtlich unterrepräsentiert. Das Buch endet im Jahre 2005 unvermittelt und ohne Ausblick. Für eine
zukünftige Stadtgeschichte kann diese Zusammenstellung jedoch ein wertvoller Steinbruch sein, diese
Einzelteile interpretierend und fragend in einen größeren Zusammenhang zu stellen, zumal der Chronist
die personellen Besetzungen in der Stadt am Ende des Bandes gesondert zusammengestellt hat, sodass
wir über eine Liste der Vögte und Bürgermeister, Geistlichkeit, Lehrpersonal, Forstmeister, Notare, Ärzte
und Apotheker, Dienstvorstände bei Bahn und Post, Ehrenbürger, Vereins vorstände, Träger der Bürgermedaille
, Ratsschreiber, Stadtrechner und Stadtbaumeister verfügen. Besonders verdienstvoll ist, dass die
seit 1633 in Kriegen Gefallenen oder an Kriegsfolgen Verstorbenen aufgeführt wurden. Äußerst anschaulich
wirken die über 300 Abbildungen, die die Stadtentwicklung recht eindringlich illustrieren und auch
deren Einwohner ins rechte Licht zu setzen vermögen. Kleinere historische und orthografische Ungenau-
igkeiten fallen weniger ins Gewicht. Ärgerlich bleibt die permanente Falschschreibung der elsässischen
Nachbarstadt Mülhausen als „Mühlhausen". Auch hat nicht das Deutsche Reich, sondern die Deutsche
Wehrmacht am 7./8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert! In einer salvatorischen Klausel zu den Jahren
1930 bis 1950 bemerkt der Chronist: „Die Ausführungen wollen niemanden anklagen und keine inzwischen
geschlossenen Wunden aufreißen. Sie dienen einzig und allein dazu, ein Stück örtlicher Geschichte
so detailliert wie möglich darzustellen. Insbesondere die zwölf Jahre von 1933 bis 1945 können nicht einfach
ausgeblendet bleiben." (S. 316). Möge damit der Ortsfrieden gewahrt bleiben!
Karlheinz Deisenroth
Carsten Friedrich Vogelpohl: B 31-Ost. Die Auseinandersetzungen um den Ost-West-Straßenverkehr
in Freiburg i.Br. (Alltag und Provinz 13), hg. vom Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg e.V., Don-
zelli-Kluckert Verlag, Bremgarten 2008, 296 S., 58 S/W-Abb.
Dreisamlösung oder Auto Schnellstraße (ASS) auf der alten Trasse der Höllentalbahn, diese Frage trieb die
Freiburger Verkehrsplaner nach dem Zweiten Weltkrieg um. Autogerecht sollte eine Stadt mit Zentra-
litätsanspruch sein bei klarer Trennung von Durchgangs- und Nahbereichsverkehr. 1956 beschäftigte sich
der Lehrstuhlinhaber für Straßenbau und Verkehrstechnik der Technischen Hochschule Stuttgart Max
Erich Feuchtinger mit dem Fall Freiburg, denn der Bau der Autobahn, der schon vor dem Krieg geplant war,
stand bevor. In Verkehrszählungen wurden Daten erhoben; deutlich zeichnete sich die hohe Attraktivität
der Innenstadt ab. Feuchtinger schlug drei Zubringer vor. Mit dicken Strichen zeichnete er den Zubringer
Mitte rechts und links der Dreisam ein, eine kostengünstige Lösung, die den Verkehr nah an die Innenstadt
heranführte. Seine dicken Striche dominierten auch den Generalverkehrsplan der Stadt Freiburg von
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