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Um 1702 wurde dann auf den Chor obendrauf eine Wohneinheit gesetzt. Deren Außenwände
bestanden aus Fachwerk, wovon sich nur geringe Reste erhalten haben. Die Wohneinheit war
für die ständige Anwesenheit eines Eremiten bestimmt, der sich seit dem Ende des Dreißigjährigen
Kriegs um Gotteshaus und Wallfahrer kümmerte.31 Nach Auskunft der in den Sturz
der Tür vom Chorraum in die Sakristei eingehauenen Jahreszahl, wurde die Sakristei 1712 angebaut
.
Im Jahr 1749 wurde ein neuer Hochaltar geweiht.32 Es dürfte sich um einen typischen Barockaltar
mit Gemälde und hohem Aufbau gehandelt haben, der direkt vor der Ostwand stand.
Dafür wurden sicherlich das spitzbogige Ostfenster vermauert und stattdessen ein hochliegendes
Rundfenster geschaffen, wofür man den Schildbogen durchbrochen hat, der dann später
wieder aus Holz ergänzt worden ist. Vermutlich wurden zur Aufstellung des Altars auch die
beiden östlichen Kapitelle zurückgearbeitet, wo heute Neuanfertigungen zu finden sind. Dazu
würde auch eine niedrige Chorschranke passen, die mit grob gearbeiteten Aussparungen in den
Sockelsteinen des Chorbogens und Befestigungsspuren in Brüstungshöhe in Verbindung gebracht
werden kann. Bei Restaurierungsarbeiten am Altar wurde in einer nachträglich vorgesetzten
Ummantelung, die ebenfalls zu dieser Zeit geschaffen worden sein dürfte, eine Nische
festgestellt (Abb. 13). Sie enthielt ein einfaches Bindeglas aus hellgrünem Waldglas lokaler
Produktion, das als Reliquienbehältnis diente (Abb. 14). Von den darin eigentlich zu erwartenden
Reliquien der Märtyrer Viktor, Felix und Constans war jedoch nichts mehr erhalten.33 Stattdessen
lagen neben dem Glas, in einem Polster pflanzlicher Reste die Relikte der sprichwörtlichen
Kirchenmaus, die sich offenbar die Heiligen einverleibt und anschließend hier ein Nest
gebaut hatte. Das Reliquienglas ist als Leihgabe der Pfarrgemeinde St. Martin im Römermuseum
Riegel ausgestellt.34
Im Laufe des 18. Jahrhunderts erhielt das Langhaus eine neue Putzdecke mit ringsumlaufender
Voute. In diesem Zusammenhang wurde das Rundfenster in der Südwand wieder vermauert
und das heute bestehende kleine Rechteckfenster eingebaut.
Einen Eindruck vom damaligen Zustand vermittelt eine Handzeichnung von 1826, die in Verbindung
mit der badischen Landesvermessung entstanden ist (Abb. 15).35 Sie zeigt die Eremitenwohnung
über dem Chor mit kleinen Fensteröffnungen, ein Satteldach mit nach Osten gerichtetem
Steilgiebel, weitere Räumlichkeiten oberhalb der Sakristei, die somit drei Geschosse
umfasste, und einen Dachreiter mit Zwiebelkuppel und offen darin hängender Glocke. Über
dem Langhaus waren damals noch Reste einer Deckung aus Hohlziegeln vorhanden.
Im Zeitraum kurz nach der Anfertigung der Zeichnung, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der
Einrichtung einer sogenannten Camera obscura in Verbindung mit einer Aussichtsplattform als
touristischer Attraktion,36 wurden am Wohngeschoss über dem Chor und den danebenliegenden
Räumlichkeiten über der Sakristei die Fachwerkaußenwände durch Mauerwerk ersetzt.
Anstatt des Dachwerks wurde eine große Terrasse angelegt. Fensterformen, Abschlussgesims,
Eisengeländer und Kaminkopf sind in klassizistischen Formen gehalten. Die Entfernung des
Daches über dem Chor führte auch zum Verlust des kleinen Dachreiters, als dessen Ersatz ein
voluminöser, geschlossener Achteckturm mit welscher Haube aufgesetzt wurde.37 Für das
flache Dach und den Dachreiter fanden Hölzer des älteren Dachwerks eine neue Verwendung.
31 Futterer (wie Anm. 10), S. 20-23.
32 Ebd., S. 23.
33 Ebd.
34 Ein Dank für die Dokumentation der Auffindesituation geht an die Restauratorinnen Alexandra Winkels (Freiburg
) und Luise Schreiber-Knaus (Bodelshausen).
35 Karlsruher Landesvermessung: Zeichnungen trigonometrisch bestimmter Punkte des Großherzogtums Baden,
Bd. III, S. 6; Vorlage Reg.-Präs. Freiburg, Denkmalpflege (Zeichnung datiert 22. September 1826).
36 Futterer (wie Anm. 10), S. 32-34.
37 Foto unter http://www.riegel-am-kaiserstuhl.de/hist04.htm.
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