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Wie vielerorts führte auch in der Breisgaumetropole die Nutzung der durch den Gewerbebach38
(Abb. 2) zu Arbeitszwecken ins Stadtinnere geleiteten Wasserressourcen regelmäßig zu
juristischen Streitigkeiten innerhalb der städtischen Gemeinschaft.39 In der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts führte die Wassernutzung an den Gewerbebächen zu Konflikten zwischen den
Zünften der Müller und Schleifer auf der einen und den Vertretern des Johanniter- und des
Deutschherrenordens sowie den Zisterziensern von Tennenbach auf der anderen Seite. Streitobjekt
, das die Parteien dazu brachte, sich an den Magistrat der Stadt zu wenden,40 war die
gegen die Müller und Schleifer erhobene Anklage, am oberen Teil der als „Mühlenbach" bezeichneten
„Oberen Runz" durch ihren übermäßigen Gebrauch des Wassers diejenigen zu schädigen
, die in der Nähe des nördlichen Mauergürtels arbeiteten, wo die Wassermenge des nördlichen
Arms desselben Wasserlaufs, „Untere Runz" genannt, nicht mehr zur Bewässerung der
Felder des Klarissenklosters und für den Bedarf der in der Neuburg gelegenen Niederlassungen
der klagenden Orden, ausreichte.41 Im Jahr 1534 verbot ein Urteil des städtischen Gerichts
den Müllern am Oberen Runz, den Wasserfluss zu ihrem alleinigen Vorteil abzuleiten.42 Um zu
verhindern, dass sich ähnliche Fälle wiederholen, erließ die städtische Autorität im Jahr 1544
eine allgemeine Runzordnung über die Bedingungen der Kanalnutzung, die im gesamten Gebiet
, das der Freiburger Rechtsprechung unterlag, Gültigkeit besaß. Auf der Grundlage dieser
Ordnung waren alle Angehörigen der Runzgenossenschaften (Vereinigung der Nutzer einer
Runz) gehalten, sich jedes Jahr am 24. August, dem Gedenktag des Heiligen Bartholomäus, zu
versammeln und aus ihrem Kreis einen Verantwortlichen, den Runzmeister, zu wählen. Dieser
hatte die Aufgabe, namens der Stadt die Einhaltung der Runzordnung zu überwachen. Außerdem
erhielt er die Schlüssel zur Regulierung der Wehre entlang der Kanäle, die so zu erfolgen
hatten, dass niemand eine geringere oder höhere Quantität an Wasser erhielt als ihm zustand.
In Zusammenarbeit mit den drei Bauherren der Stadt - übergeordneten Beauftragten des städtischen
Bauwesens - informierte der Runzmeister die städtische Autorität über die Möglichkeit
, neue Kanalarbeiten oder Änderungen des Verlaufs der Kanäle zu unternehmen. Der Freiburger
Rat verfügte, dass die Angehörigen der Runzgenossenschaften regelmäßig von den
Runzmeistern zu den Runzgeboten zusammengerufen wurden, Versammlungen, bei denen sie
zur Teilnahme verpflichtet waren und deren Vernachlässigung mit Geldstrafen geahndet
38 Himmelsbach (wie Anm. 30), S. 74: „Der Gewerbebach jedoch ist ein künstlicher Wasserlauf. Er muß in Stand
gehalten werden und die Wassermenge muß so geregelt werden, daß jeder Anlieger genügend Wasser für seine
Bedürfnisse erhält". Zum Gewerbebach siehe auch Anm. 32.
39 Vgl. für die das Spätmittelalter betreffenden Teile die Studie von Julia Haack: Der vergällte Alltag. Zur Streitkultur
im 18. Jahrhundert, Freiburg 2005, S. 78f.
40 Vor dem Erlass - erstmals im Jahr 1544 erfolgt - der rechtlichen Verordnung zur Wassernutzung zu Arbeitszwecken
, die für alle Einwohner Gültigkeit besaß, setzte die städtische Autorität die sogenannten städtischen
Holzmeister und Holzherren ein, eine aus drei Angehörigen des Stadtrats bestehende Kommission, die beauftragt
war, Zeugen der Klage führenden Parteien anzuhören und Lösungen zu finden, die die im Streit liegenden Parteien
aussöhnten. Wenn eine solche Schlichtung nicht möglich war, berichteten die Holzmeister und Holzherren
das Vorgefallene dem Stadtrat, der dann eine unumgängliche Entscheidung über den fraglichen Fall traf. Vgl.
Himmelsbach (wie Anm. 30), S. 74f.
41 Das folgende nach Ulrich P. Ecker: „Auf unserem Wasser und Runß der Treysamb, so durch unser Statt rinnet
." Die Freiburger Runzen und Runzgenossen, in: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 2: Vom Bauernkrieg
bis zum Ende der habsburgischen Herrschaft, hg. von Heiko Haumann und Hans Schade, Stuttgart
1994, S. 153-156. Dies war sicher nicht der erste Streitfall bezüglich der Kanalnutzung in der breisgauisehen
Stadt. Die im Stadtarchiv aufbewahrten Dokumente (StadtAF, Cl Runzsachen 7, wiedergegeben nach Himmelsbach
[wie Anm. 28], S. 190, Anm. 58) berichtet über den Abschluss einer Vereinbarung, das auf das Jahr 1272
zurückgeht und zwischen dem Johanniterordern und dem Kloster Adelhausen im südlichen Teil der Stadt,
genannt Wiehre, und dem Kloster Tennenbach, das am anderen Hang der Stadt lag, geschlossen wurde. Die Vereinbarung
, zu der man erst am Ende eines langen Rechtsstreits gelangte, der aus dem Streben der Parteien resultierte
, sich die Kontrolle über die Kanäle zu sichern und erst mit der Aufgabe der Monopolansprüche aller Parteien
endete, sollte den nördlichen Arm des Gewerbekanals kontrollieren. Siehe dazu Himmelsbach, ebd., S. 33f.
42 Ecker (wie Anm. 41), S. 155.
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