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1595 die Pest erneut ausbrach, wurde der Platz vor der Stadtmauer, der den Flurnamen „Gottesackergärten
" trägt, für die Beerdigung der Pesttoten eingerichtet. Auf der Flurkarte ist dieses
Gebiet auf der anderen Seite der Straße an der Friedhofskapelle am Bahngleis eingezeichnet.
Die Kapelle wurde 1597 auf dem neuen Siechenfriedhof gebaut und dem hl. Sebastian geweiht.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kapelle verwüstet und 1652 wieder aufgebaut. Auf das
Türmchen ist ein Doppelkreuz gesetzt, das als Abwehrkreuz gegen die Pest gilt und dafür verwendet
wurde. Die Ausstattung der Kapelle gibt ansonsten keine weiteren Hinweise zur Pest.
Auf eine Besonderheit in Pestzeiten lässt sich anhand der Flurnamenerklärung schließen. Der
„Bauretsmarkt", durch das Nichtmehrverstehen zu Bauholzmarkt verändert, ist ein Platz, zu
dem ein Weg zur Gemarkung Grunern von der Straße ins Münstertal abzweigt. An diesem Platz
konnten die von ihren Mitmenschen isoliert lebenden Pestkranken Staufens die notwendigen
Lebensmittel, die ihnen hierher gebracht wurden, abholen. Eine nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung
eines Flurbereichs in Grunern, der jetzt zum „Unterer Steiner" gehört, heißt „Kai-
bengässle". Diese Gasse soll zu einem Platz geführt haben, wo Tieraas und vielleicht manchmal
an einer Seuche (Pest?) Verstorbene beerdigt wurden.
Die nächste Pest traf Staufen vermutlich bereits 1625 während des Dreißigjährigen Krieg.
Der Sache nach überlebte nur eine Frau: „Nach der unglücklichen Zeit des dreißigjährigen
Kriegs soll die Stadt Staufen infolge der Pest ganz ausgestorben gewesen seyn bis auf eine
Magd (in's Barbier alt Maiers Haus). Diese ging eines Morgens an den obern Brunnen, um
Trinkwasser zu holen. Als sie dort ankam, sah sie einen Handwerksgesellen bei des obern Martins
Haus auf einem Ecksteine sitzen. Sie sagte zu ihm: ob er nicht wisse, daß der Ort ganz ausgestorben
sey? - Der Handwerksbursche erwiderte: er komme eben hierher gereist und wolle
auf diesem Stein ein wenig ausruhen; er bitte von ihr einen Trunk Wasser, sonst, sagte er, wäre
er gesund! - Die Magd gab ihm zu trinken und setzte naiv hinzu: ,Wir wollen einander heiraten
und die Stadt, so Gott will, wieder bevölkern.' - Der Handwerksbursche war nicht abgeneigt
, sie wurden einig, schlössen das Ehebündniß und erfüllten später die Worte der Schrift:
Wachset und vermehrt euch!. Noch heut zu Tage aber ist jener Eckstein zu sehen vor Fr. Xaver
Martins Haus. Später, bemerkt die Sage weiter, sey dieses Ehepaar nach dem Dorfe Grunern
gezogen sein, weil es ihm in Staufen nicht mehr gefallen habe."
In Staufen gibt es zwei Kapellen, die insbesondere mit Krankheiten verbunden sind. Derselbe
oben zitierte Legendenerzähler nennt die außerhalb Staufens gelegene Gotthardskapelle
Pestkapelle, „weil durch seine [Gotthardus] Fürbitte die Pest abgewendet worden" sei. Als die
Pest über Staufen hereinbrach, wurde diesen Kranken die Gotthardskapelle zugewiesen, damit
sie dort bis zum Tod oder bis zur Genesung einen Zufluchtsort hatten. Zugleich war die Kapelle
aber auch ein Gotteshaus für die Leprosen. Der Konflikt mit den Aussätzigen wurde dadurch
gelöst, dass diese fortan bei der Magdalenenkapelle Schutz fanden.12
Münstertal
Die einzelnen Ortsteile der Talgemeinde Münstertal werden in der Klostergeschichte von St.
Trudpert mit ihren entsprechenden Ereignissen erwähnt. Von der Pest, der oft eine Hungersnot
vorausging, ist erst in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs die Rede und auch da werden nur
andeutungsweise Bemerkungen gemacht. Es ist überliefert, dass seit etwa 1626 jährlich Pestfälle
auftraten. 1633 konnte sogar wegen der Seuche die Wahl von Georg Garnet (1633-1665)
12 Fridolin Mayer: Geschichte des eh. St. Gallischen Dorfes Norsingen, Staufen 1928, S. 37; Werner Schaffner
: Flurnamen, Straßennamen, Sagen und Erzählungen von Staufen, Grunern und Wettelbrunn, Staufen 2005,
S. 13, 22, 46 und 102f.; Staufen im Breisgau. Geschichte und Gegenwart, hg. von Elisabeth Erdmann, Freiburg
1989, S. 24; Lucian Reich: Wanderblühten aus dem Gedenkbuche eines Malers, Karlsruhe 1855 (Nachdruck
Freiburg 1981), S. 31f. und 45; Max Rieple: Die ausgestorbene Stadt Staufen, in: Die Markgrafschaft 1964/Heft
1, S. 15f.
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