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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2010/0180
durch zwei Beamte aus dem Finanzministerium, beauftragte den Landwirtschaftsminister, den Franzosen
vorzutragen, dass die genannte Maßnahme Unruhen provozieren könne und dass die Ablieferungsquoten
bei Kartoffeln, Heu und Hafer unerfüllbar hoch seien. Das Beispiel ist dem Protokoll über die erste
Kabinetts-Sitzung nach den Landtagswahlen vom Mai 1947 entnommen, nachzulesen im 2. Band des
Baden betreffenden Teils der großen Quellenedition „Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg und
Württemberg-Hohenzollern 1945-1952". Christof Strauß betont in der Einleitung zu dem von ihm
bearbeiteten Band, dass Baden zwei Jahre nach Kriegsende „in beträchtlichem Maß eigenständiges Profil"
entwickelt hatte und innerhalb der französischen Zone, zu der ja auch Rheinland-Pfalz und Württemberg-
Hohenzollern gehörten, eine Schlüsselrolle spielte. Dass mit Baden-Baden die Zentrale der Franzosen im
Lande lag, trug zu dieser Stellung bei.

Die dramatisch schlechte Lebensmittelversorgung, die sich erst nach der Währungsreform im Sommer
1948 besserte, war das beherrschende Thema bei den Beratungen der Regierung. In der Einleitung schreibt
Strauß, dass de facto ein planwirtschaftliches System herrschte. „Die französische Seite erteilte Produktionsauflagen
, kontrollierte die Verteilung der Erzeugnisse und legte die Anbauflächen für bestimmte Produkte
fest." Erschwerend wirkten sich die Entnahmen zur Versorgung der Angehörigen der Besatzungsmacht
aus, die hier im Verhältnis zur Bevölkerungszahl deutlich stärker präsent waren als die Amerikaner
und Briten in ihren Zonen. Im Bemühen um Durchsetzung korrekter Ablieferungen der Landwirte drängten
die Franzosen die badische Regierung immer wieder zu größerer Härte. Ein interessanter Fall in dem
Zusammenhang ist mit dem Namen des Grafen Douglas von Langenstein verbunden. Es ging um Milchablieferung
. Graf Douglas hatte zwar sein Soll erfüllt, sogar übererfüllt, war jedoch zu niedrig veranlagt
worden. Er wäre verpflichtet gewesen, sämtliche Überschüsse abzuliefern. Das badische Landwirtschaftsministerium
belegte ihn im Oktober 1947 mit einer Ordnungsstrafe, eingedenk der Tatsache, „diese
Angelegenheit nicht mehr decken zu können". Da Douglas, der übrigens schwedischer Staatsangehöriger
war, plausibel machen konnte, den Überschuss zur Aufzucht von Jungtieren sinnvoll genutzt zu haben,
wurde der Ordnungsstrafbescheid im Januar 1949 vom Landgericht Konstanz aufgehoben.

Weitere Themenschwerpunkte sind Bodenreform, Schulpolitik, Entnazifizierung, Demontage, „Franzosenhiebe
" und die Südweststaatfrage, die 1948 nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente durch
die Militärgouverneure an die Ministerpräsidenten in den drei Westzonen diskutiert wurde. Schon damals
stand Wohleb allein mit seiner Forderung nach Wiederherstellung des alten Landes Baden, von Heinrich
Köhler, dem Präsidenten des badischen Teils von amerikanisch Württemberg-Baden, „im Stich gelassen".
Wer die Übergänge vom ersten zum zweiten Kabinett und zur geschäftsführenden Regierung sucht, muss
genau auf die Namen der Ressortminister und den Zeittakt der Sitzungen schauen. Um den Jahreswechsel
1947/48 schieden die beiden sozialdemokratischen Minister Nordmann (Justiz) und Leibbrandt (Wirtschaft
und Arbeit) aus. Anlass und Grund waren divergierende Vorstellungen bei der Erarbeitung des von
der Verfassung vorgesehenen Gesetzes zur Durchführung einer Agrarreform. Die Nachfolger beider
Ressortchefs wurden aus dem CDU-Lager ersetzt: Fecht (Justiz) und Lais (Wirtschaft und Arbeit). Innenminister
Schühly blieb bis 1952, dem Geburtsjahr des Südweststaates, im Amt. Das Kultusressort
wurde stets von Wohleb mitbetreut, ebenso das Finanzwesen, für das erst im Sommer 1948 in der Person
von Wilhelm Eckert ein Fachminister bestellt wurde. Einen neuen Chef erhielt im Sommer 1948 auch das
Landwirtschaftsministerium: Alfons Kirchgässner, CDU, trat an die Stelle seines Parteifreundes Lambert
Schill.

Der Bearbeiter ergänzt die Publikation der Regierungsprotokolle um einige wichtige Dokumente aus
der Besatzungszeit: einen Brief Wohlebs in französischer Sprache an Pierre Pene, den in Freiburg residierenden
, eine Stufe unterhalb der Militärregierung in Baden-Baden rangierenden Oberdelegierten für
Baden, über „la Situation alimentaire si grave du Pays de Bade", eine Denkschrift über die Einheitsschule,
wo die Frage erörtert wird: „Ist das Nebeneinander verschiedener Schulgattungen undemokratisch?", ein
Schreiben der Militärregierung an Wohleb vom 3. Juli 1948 mit einer Liste der für Demontagen vorgesehenen
Betriebe und der empörten Antwort von Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite, das die große Erregung
in der Bevölkerung beim Bekanntwerden dieser erneuten Demontagewelle zum Ausdruck bringt.
Die Vielfalt dessen, was man hier nachschlagen kann, erschließt sich beim Blick in die Register: acht
Seiten Personenregister mit über 600 Namen, vier Seiten Ortsregister mit etwa 200 Angaben von Achern
und Achkarren bis Wutöschingen und Zürich, 24 Seiten Sachregister mit Stichwörtern wie Abholzung,
Kriegsverbrecherprozesse, Wiedergutmachung, Lastenausgleich und Hinweise auf zahlreiche Gesetze und
Verordnungen. Eine weitere willkommene Ergänzung bieten die 800 Anmerkungen mit Erläuterungen und

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