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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2010/0185
Roger Chickering: Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914-1918, Schö-
ningh Verlag, Paderborn 2009, 606 S., zahlreiche S/W-Abb.

Der Autor beginnt mit einer Schilderung der Situation Freiburgs in der Zeit kurz vor dem I. Weltkrieg. Die
Zustandsbeschreibung umfasst sowohl die wirtschaftliche und soziale Lage der Stadt als auch ihre politischen
Orientierungen. All dies bildet das Grundmuster für seine Untersuchungen während der Kriegszeit.

Wie anderswo im Deutschen Kaiserreich auch, ist der Beginn der militärischen Auseinandersetzungen
von den meisten Einwohnern mit frenetischem Jubel und großer Siegeszuversicht begrüßt worden. Das
anfängliche Eintreten der Sozialdemokratie für Frieden und gegen die Spirale von gegenseitigen Ultimaten
noch kurz vor Kriegsausbruch wich schnell der allgemeinen Euphorie, jetzt das Vaterland verteidigen
zu müssen. Was aber verleitete die Menschen in ihrer übergroßen Mehrheit zu einem solchen Verhalten?
Roger Chickering sieht einmal den Willen, den Krieg als reinigendes Gewitter zu verstehen, das alle in
der Friedenszeit angesammelten Verwerfungen in der Gesellschaft hinwegfegen sollte. Dann aber spielten
auch nationalistische und expansionistische Motive eine große Rolle. Der Bevölkerung ist ja in den
Jahren davor von der offiziellen Propaganda weisgemacht worden, das Deutsche Reich hätte Anspruch auf
einen größeren Anteil des bereits weitgehend verteilten Kuchens in der Welt. Auch hatte die an Borniertheit
kaum zu überbietende Politik des Kaisers und der Reichsregierung dazu geführt, das Reich zu isolieren
. Da galt es wohl jetzt, mit aller Macht auszubrechen und den Gegnern zu zeigen, aus welchem Holz
die Deutschen geschnitzt seien.

Man machte, so der Autor, zu Beginn des Krieges den Menschen Glauben, dass nun keine Unterschiede
mehr bestehen würden zwischen Oben und Unten, zwischen „Fürst und Arbeiter". Alle sollten an einem
Strang ziehen, um den Deutschland aufgezwungenen Krieg zu gewinnen. Roger Chickering weist nun bis
ins Detail nach, dass diese von oben propagierte Gleichheit keineswegs der Realität entsprach. Weder die
hierarchische Ordnung im Militär, mit seinen Privilegien für die Offiziere, noch die sozialen Strukturen
an der Heimatfront änderten sich während des Krieges wesentlich. Schon bald stellte sich nämlich heraus
, dass der überall herrschende Mangel - eine Folge des britischen Handelsembargos und bürokratischer
Misswirtschaft auf deutscher Seite - von den Reichen und Einflussreichen viel besser gemeistert werden
konnte als von den vielen Armen. Die Zwangsbewirtschaftung fast aller Güter des täglichen Bedarfs, mit
den uns inzwischen aus planwirtschaftlichen Ländern wohlbekannten Folgen, wie Schwarzmarkt, Schiebung
und Korruption, taten ein Übriges, die Wohlhabenden zu begünstigen und die Armen zu benachteiligen
. Die Oberschicht der Stadt verfügte nicht nur über die Geldmittel, sondern auch über gute Kontakte,
um den allgemeinen Mangel zu umgehen. Auch die Rolle der Frauen, die den Hauptanteil der Arbeit in
der Stadt nach dem Wegzug vieler Männer bewältigen mussten, änderte sich nicht. Zwar waren die Frauen
als opferwillige Kräfte, die jetzt vielfach Männertätigkeiten verrichten mussten, sehr geschätzt. In höhere
Positionen allerdings gelangten Frauen nicht, weil sie dafür, laut Männermeinung, von ihrer Natur her ungeeignet
waren. Die Macht- und Einflussfaktoren in der Stadt änderten sich nur scheinbar, als bei Kriegsende
Soldaten- und Arbeiterräte auch in Freiburg versuchten, mitzuentscheiden. Ihnen war nur ein kurzes
Intermezzo beschieden. Danach kehrten, wie überall in Deutschland, die alten politischen und sozialen
Strukturen zurück.

Der Autor hat in einem Anhang umfangreiche Ergebnisse seiner Recherchen angefügt, die etwa zu beruflichen
, konfessionellen, etatmäßigen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Krieg Auskunft geben.

Detlef Vogel

Rüben Frankenstein: Denkmal und Name - Der gute Ort Freiburg. Dokumentation des jüdischen Friedhofs
, unter besonderer Mitarbeit von Lina-Mareike Dedert sowie Anette Andree, Aline Braun und
Aaron Schwald (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 39), Stadtarchiv
Freiburg, Freiburg 2009, 334 S., zahlreiche S/W-Abb.

Hier liegt begraben / die geachtete Frau: Frau Livka, genannt / Luise, Tochter des Gelehrten Herrn Joseph
, Ehefrau des Herrn / Schemaja des Leviten Epstein. / Eine Frau schön von Gesicht und Gestalt wie
ein grüner Ölbaum [Psalm 52,10] / gleich einem fruchtbaren Weinstock im Innern des Hauses, [Psalm
128,3] / wie Sara, unsere Mutter, ist sie da im Zelt, sagt man über sie, [Genesis 18,9-10] / Gefährtin ihres
Ehemannes mühte sie sich ihren Kindern zuliebe /erlosch ihre Lampe nicht, sie überwachte ihre Vorgänge,
[Sprüche 31,18/31,27] /Lehrerin ihrer Sprösslinge in den Anfängen der Weisheit, /sie säte in Tränen, jetzt
wird sie ihre Garben ernten, [Psalm 126] / die Erinnerung an ihre Liebe wird nicht aus den Herzen ihres

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