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als Gesandter Erzherzog Sigismunds zur Inthronisation Karls VIII. gehalten hatte, also eben des
Königs, gegen den Mailand jetzt gesichert werden sollte. Er konnte aus dem alten Redetext viele
Passagen übernehmen, die er nur an die neue Situation anzupassen brauchte. Dass ein Gesandter
als Redner dergestalt ökonomisch verfährt, mag öfter vorgekommen sein, doch ist es wohl selten
zu beobachten. Die Pariser Rede von 1484 liegt in der UB Freiburg, die Mailänder von 1495
im Archiv in Innsbruck.76 Wenn man sie beide nacheinander liest, liest man streckenweise zweimal
fast dasselbe. 1484: „Dieser heutige Tag scheint mir der angenehmste, allerchristlichster
König, Licht des Glaubens und glänzendste Zierde Frankreichs, der schönste Tag ist dies, an
dem durch Eingebung der himmlischen Majestät und mit Hilfe der göttlichen Güte etwas so
Großes und Herrliches geschieht 1495: „Dieser heutige Tag scheint mir der angenehmste,
erlauchtester Fürst, glänzendste Zierde Mailands, der schönste Tag ist dies, an dem durch Eingebung
der himmlischen Majestät und mit Hilfe der göttlichen Güte etwas so Großes und Herrliches
geschieht ..." Stürtzel erklärte, Maximilian lasse die Belehnung mit Zustimmung der
Kurfürsten und Rat der Reichsstände durchführen. Doch die Kurfürsten hatten darauf bestanden,
dass die Belehnung keine erbliche sein dürfe. Aber daran hielten sich der König und seine
Gesandten nicht. Stürtzel belehnte Ludovico Sforza und seine Erben.
Maximilian setzte auch an seinem eigenen Hof Konrad Stürtzel immer wieder als Redner ein,
z.B. wenn italienische Abgeordnete zu empfangen waren. Stürtzel sprach nicht italienisch, er
redete und verhandelte auf Latein. Maximilian legte offenbar Wert darauf, dass die Venezianer
nicht in ihrer Muttersprache verhandelten.77 Für die venezianischen Gesandten war Stürtzel der
gran cancellero.7S Wenn Maximilian die venezianischen Gesandten ungnädig entlassen wollte,
ließ er sie von Stürtzel wegschicken, der dann seinerseits wusste, was er zu tun hatte; nämlich
es nicht selber zu machen, sondern die Gesandten durch seinen Diener auffordern zu lassen,
nach Venedig zurückzukehren.79
1497 fand erstmals der Empfang eines türkischen Gesandten statt. Maximilian ließ ihn nach
Stams in Tirol kommen, wo er mit seinem Hof jagte. Aus den erlegten Hirschen wurde eine
Mahlzeit zubereitet, an der auch der türkische Gesandte, offenbar ein Grieche, teilnahm. Der
päpstliche Gesandte und die Vertreter von Venedig und Neapel waren ebenfalls dabei. Anschließend
fand der förmliche Empfang in einem eigens hergerichteten großen Zelt statt, in dem der
König und die genannten Botschaften rangentsprechend auf mehr oder weniger erhöhten Sitzen
saßen und Stürtzel und andere Räte standen. Der Gesandte des Sultans sprach sehr lang auf
Italienisch, der Vertreter Neapels übersetzte die Rede ins Lateinische und Stürtzel musste sie für
jene Fürsten, die weder Italienisch noch Latein verstanden, ins Deutsche übersetzen. Danach
verließ der Gesandte des Sultans das Zelt und alle berieten sich. Maximilian äußerte sich auf
Deutsch, gegenüber dem päpstlichen Gesandten auf Latein. Als der türkische Gesandte wieder
hereingerufen war, musste Stürtzel auf Latein die förmliche Antwortrede halten, die der
Vertreter Neapels ins Italienische übersetzte.80
1498 wurde in Freiburg der Reichstag gehalten - zu ihm hat das Stadtarchiv 1998 einen
Katalog- und Aufsatzband herausgebracht, von dem Thomas Brady, Berkeley, einmal mit nur
geringer Übertreibung sagte, es sei das schönste Buch, das er bislang gesehen habe. Stürtzel
konnte sein gerade fertig gewordenes Stadtpalais regelrecht vorführen. Denn das Turnier, das zu
Ehren Maximilians geplant wurde, sollte schräg gegenüber bei der Einmündung der Gauchstraße
in die heutige Kaiser-Joseph-Straße stattfinden.81 Auf diesem Reichstag äußerte Stürtzel
76 Universitätsbibliothek Freiburg, Hs. 356a, fol. llv-13r (lateinisch) und 2r-5v (deutsch); TLA, Maximiiiana 1/40, fol.
9r-13v (lateinisch).
77
78
RIXIV, n. 505.
Ebd., n. 6163.
79 Ebd., n. 6172
80 Ebd., n. 5109
81
Thomas Zotz: Der Reichstag als Fest: Feiern, Spiele, Kurzweil, in: Schadek (wie Anm. 32), S. 147-170, hier S. 161
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