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die Heimlichen Räte Spuren ergeben, die eine Weiterverfolgung gelohnt hätten. So hatte ein
Befragter ausgesagt, ihm sei berichtet worden, daz klein Thomenly von Rimsingen den schuch-
knecht zem letsten überzwerch in sin kopff gehowen hab, wiewol er suß verwundet gewesen sig.
Eine andere Aussage, daz ein kleins gsellely, ein spilbübly, uff den schuchknecht abgeschossen
hab, schien das zu bestätigen.38 Offensichtlich hatte man in Freiburg nach dem Ensisheimer
Vergleich jedoch kein großes Interesse mehr, um den Tod eines fremden Handwerksgesellen
noch viel Wesens zu machen.
Güntzel klagte vor dem Kaiserlichen Hofgericht zu Rottweil (Abb. 4) zu vogt, richtern und
gantzer gemainde gemainlich allen den mannspersonen, die zu iren jaren und tagen komen
sind, zu Ebringen im Brisgow, weil sie seinen Bruder onerlangt aller rechten wider die güldin
bull und gemein reformacion mit ir selbs gewalt vom leben zum tod pracht hetten, hoffende,
umb solichen todschlag zu inen allen zu richten mit aucht und anlaitin nach des heiligen reichs
recht.39 Die Klage zielte also auf Gesamthaftung aller volljährigen Männer der Gemeinde
Ebringen, ein Begehren, das Freiburg vor dem Landvogt misslungen war. Seinerzeit hatte sich
die Stadt vergeblich gegen eine Individualisierung der Täterschaft gewehrt mit dem Einwand,
es wellen sich die von Ebringen us der sach ziehen, wo sie doch gemeinlich in der schuld
seien.40 Gestützt war Güntzels Totschlagsklage auf zwei zentrale Reichsgesetze, nämlich das
Verbot unrechtmäßiger Fehden in der Goldenen Bulle von 1356 (Kapitel XVII)41 sowie auf das
jüngste allgemeine Fehdeverbot des „Ewigen Reichslandfriedens" von 1495 (§§ 1-3)42. Das
Hofgericht Rottweil praktizierte jedoch keine Strafgerichtsbarkeit im Sinne einer Blutgerichtsbarkeit
, sondern sprach bei Nichtbefolgung seines Urteils lediglich die Acht aus. Löste
sich der Verurteilte nicht aus der Acht, so erteilte das Gericht dem Kläger die „Anleite", ein
Vollstreckungsverfahren, das dem Kläger den Besitz der Güter des Beklagten verschaffte. Dies
ist gemeint mit dem Antrag Güntzels, das Gericht solle richten mit Acht und Anleite, wobei es
sich um Durchsetzungsinstrumente aus der mittelalterlichen Landfriedensgesetzgebung handelt.
Die öffentliche Verhandlung fand am 8. März 1496 an der Reichsstraße vor der Stadt Rottweil
statt. Seit 1418 war dies der Haingarten, eine bis zur Gegenwart erhaltene Tagungsstätte.
Gerichtsverfassung und Rechtsgang unterschieden sich grundlegend vom Prozedere vor dem
landvogteilichen Gremium in Ensisheim. Nicht nur dass das Gericht auf die traditionelle
Funktionsteilung in Richter und Urteiler angelegt war, auch das Verfahren selbst hatte seine
überkommenen formalistischen Züge bewahrt. Der Richter als Repräsentant der Gerichtsgewalt
sprach selbst nicht Recht, sondern leitete das Verfahren, indem er von den Urteilern, meist
Rottweiler Ratsmitgliedern, die Prozessschritte und das Urteil erfragte und verkündete. Nominell
war der König Richter, jedoch waren seit dem 14. Jahrhundert die Grafen von Sulz erblich
mit dem Hofrichteramt beliehen. Die Grafen von Sulz konnten sich ihrerseits wiederum durch
Statthalter vertreten lassen. Im vorliegenden Fall zeigt sich gerade eine solche Konstellation:
Namens Kaiser Maximilians ist der junge Rudolf V. von Sulz Hofrichter, der hier jedoch das
Richteramt auf Graf Erhard von Nellenburg und Tengen delegiert hat.43 Von den Parteien ist
vorschriftsmäßig der Kläger persönlich anwesend, während die Beklagten sich erlaubtermaßen
durch einen Bevollmächtigten - wiederum aus dem Hause Blumeneck - vertreten lassen. Der
Ebd., S. 607f.
Gemeindearchiv Ebringen, Urkunden Nr. 6 (abgedruckt im Anhang). Zum Hofgericht Rottweil siehe Max
Speidel: Das Hofgericht zu Rottweil, Rottweil 1914; Georg Grube: Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts,
Stuttgart 1969; Die Rottweiler Hofgerichtsordnung (um 1430), hg. von Wolfgang Irtenkauf (Litterae 74),
Göppingen 1981.
Urkundenbuch Freiburg (wie Anm. 1), S. 616.
Die Goldene Bulle, in: Quellen zur Verfassungsgeschichte des Römisch-Deutschen Reiches im Spätmittelalter
(1250-1500), hg. von Lorenz Weinrich, Darmstadt 1983, S. 314-393 (lateinisch mit deutscher Übersetzung).
Siehe oben Anm. 29.
Zu beider Personalien vgl. Grube (wie Anm. 39), S. 214 und 218.
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