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neue Gastwirtschaftsgerechtigkeiten verliehen, so wurde das Abhalten der Großen Zehrungen
in der Regel ausdrücklich verboten.
Anders hatten sich die Verhältnisse in der zur Stadt Freiburg gehörenden Talvogtei im
Dreisamtal entwickelt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden in St. Märgen - einer der
Gemeinden im Gebiet der Talvogtei - zusätzlich zum alten Klosterwirtshaus noch zwei weitere
Gasthäuser. Nun hielt die Bevölkerung von St. Märgen ihre anfallenden Hochzeits-, Kaufund
Teilungsmahlzeiten fast nur noch bei diesen Wirten ab. Beim Turnerwirt - auch auf dem
Gebiet von St. Märgen gelegen, aber eine Stunde vom Ort entfernt - fanden im Gegensatz zu
früher nur noch wenige dieser Veranstaltungen statt. Der Turnerwirt beklagte sich daraufhin bei
der Stadt. Er gab vor, er habe das Recht genossen, daß allda [im Turnerwirtshaus] von allen
durch das Jahr in denen St. Märgischen Vogteyen sich ergebenen Hochzeiten, Weinkäuffen und
Erbs-Abteilungen 2/3, in dem Würtshaus zu St. Märgen aber l/3tel verzehret werden müssen.15
Aus der Stellungnahme des Talvogtes ist zu entnehmen, dass die Bewohner von St. Märgen bisher
die freie Wahl hatten, wo sie ihre Großen Zehrungen einnahmen. Der Talvogt wollte in dieser
Sache keine Änderungen einführen.
Im Jahr 1723 erhielten der Ochsenwirt und der Löwenwirt von Vöhrenbach das ausschließliche
Privileg, die Großen Zehrungen in ihrer Stadt abhalten zu dürfen. Ohne irgendeine
Begründung wurden dabei auch die in der benachbarten Gemeinde Langenbach anfallenden
Großen Zehrungen diesen beiden Wirten zugeteilt.16 Die Langenbacher duften von diesem Zeitpunkt
an nicht mehr, wie bisher, diese Mahlzeiten im Gasthaus ihrer Gemeinde, dem Wirt auf
der Eck, abhalten. Zunächst war dieses Zwangsrecht auf fünf Jahre begrenzt. Die von dem Er-
lass profitierenden Wirte mussten ein erhöhtes Tavernengeld17 zahlen. Trotz mehrfacher Beschwerden
der Gemeinde und des Eckwirtes gelang es den Vöhrenbacher Wirten in den folgenden
Jahrzehnten regelmäßig, eine Verlängerung dieses Zwangsrechtes zu erwirken.
Erst in einem Gutachten, das im Auftrag der fürstenbergischen Landesregierung Anfang des
19. Jahrhunderts erstellt wurde, konnten die rechtlichen Grundlagen dieses Zwangsrechtes hinterfragt
werden. Die Ergebnisse dieses Gutachtens enthalten wertvolle Hinweise auf die den
Großen Zehrungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze. Zunächst stellte dieses Gutachten
einen Bezug zu den geltenden Reichsgesetzen her. Reichsabschiede18 aus den Jahren 1577 und
1688 hatten derartige Zwangsrechte ausdrücklich verboten. Auch wurde festgestellt, dass sich
aus dem Recht des Landesherrn, Gastwirtschaftsgerechtigkeiten zu verleihen (Jus Taberna19),
keine Befugnis zum Erlass von Zwangsrechten ableiten ließ. Aufgrund der erhaltenen Landeshoheit
stand den jeweiligen Landesherren jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis
zu, die Freiheit ihrer Unterthanen in Handel und den Gewerben zu beschränken und folglich
auch Privilegien zu erteilen. Dies galt insbesondere, wenn es die gemeine Wohlfahrt erfordert
, oder doch die natürliche Freiheit der Untertanen nicht zu lästig beschränkt und besonders
die Rechte der Einzelnen nicht verletzt würden. Privilegien und Zwangsrechte, wenn sie
zu Recht bestehen, müssen notwendig eine dieser Bedingungen mit sich führen ... Willkür und
Finanzabsichten können sie unmöglich allein rechtsbeständig machen. Schon die 1723 erfolgte
Bannung der Gemeinde Langenbach, ihre Großen Zehrungen in Vöhrenbach abhalten zu
müssen, sei grundlos gewesen. Dieses Zwangsrecht sei schon im Anfange als erschlichen anzusehen
. Der Tatbestand, dass die Langenbacher Bevölkerung ihre Großen Zehrungen in der
benachbarten Stadt Vöhrenbach ausrichten musste, wurde in diesem Gutachten als ein auf dem
Schwarzwald ganz ungewöhnliches Zwangsrecht bezeichnet. Dieserart seien die Bewohner der
15 Stadtarchiv Freiburg, F Specialia XIX Zinken und Einzelhöfe Nr. 37 Turner.
16 FFA, Cameralia mixta, Amt Neustadt, Div. 2, Vol. IX, Schild- und Tavernen-Gerechtigkeiten, Vöhrenbach.
17 Das Tavernengeld wurde für die Berechtigung zur Betreibung einer Gastwirtschaft erhoben.
18 Reichsabschiede = Beschlüsse des Reichstags im alten Deutschen Reich (bis 1806).
19 FFA, ohne Bestands-Signatur.
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