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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0089
Kein Zweifel: Hier hat ein Handelsvertreter des Ancien Regime eine für die damalige Zeit
respektable Wegstrecke hinter sich gebracht und - dies sei nebenbei ausdrücklich bemerkt -
eine nicht minder beachtliche Zahl von Lieferaufträgen akquirieren können. Ohne dass wir im
vorliegenden Zusammenhang eine detaillierte Auswertung des im Livre de Commission greifbaren
Kundenbestands vornehmen können, sei doch wenigstens eine gezielte Stichprobe durchgeführt
, die uns zumindest in epochengeschichtlicher Hinsicht mit den Interessen, die den
Jubilar zeitlebens intensiv beschäftigt haben, in Verbindung bringen kann.

Die ,Weimarer Einträge'

Nach einem auf den 8. Februar 1783 datierten Eintrag, der sich auf eine Bestellung eines im
hessischen Hirschfeldt (vermutlich identisch mit der heutigen Stadt Bad Hersfeld) ansässigen
Kunden bezieht, dürfte Seiinger - vielleicht über die Zwischenstationen Eisenach, Gotha und
Erfurt - bis zur mehr als 100 km entfernten Stadt Weimar, die seit dem Jahr 1572 als Hauptstadt
des Herzogtums Sachsen-Weimar fungierte, weitergereist sein, wo er sich wohl für einige
Tage an einer bislang unbekannten Adresse einquartierte. Die Weimar betreffenden Notizen
setzen jedenfalls mit dem 18. Februar 1783 (einem Dienstag) ein und sind zunächst-jedenfalls
auf den ersten Blick - alles andere als spektakulär, ist doch lediglich von insgesamt 80 Flaschen
(Bouteilles) die Rede, die einem lokalen Händler (Negociant) namens M.r Ortelly verkauft wurden
und, so der Eintrag weiter, sofort {de Suitte) über Straßburg (par Strasbourg) geliefert werden
sollten, wobei - wie Seiinger zusätzlich festhält - eine offensichtlich ortsansässige (d.h. in
Straßburg vertretene) Firma namens Gochnat & fils mit der ersten Etappe des Warentransports
betraut wurde. Aufhorchen lässt bestenfalls der Name eines weiteren Unternehmens, durch welches
gemäß Seiinger das Liefergeschäft zu , expedieren' war: Der Handelsreisende trägt in sein
Bestellbuch M.rs J.n Noe D 'orville & fils ein und legt damit eine Spur zu einer in den Hofkreisen
Weimars vermutlich einschlägig bekannten Adresse in Frankfurt am Main. Doch hierzu später.

Rücken wir zunächst nochmals den eigentlichen Abnehmer der Spirituosen ins Blickfeld, so
können wir festhalten, dass uns hier eine allem Anschein nach stadtbekannte Persönlichkeit
begegnet, ist der im Livre de Commission aufgeführte M.r Ortelly doch kein Geringerer als der
1737 in dem kleinen Ort Griante am Corner See (zwischen Tremezzo und Menaggio) geborene
Weinhändler Stephan Andreas (Stefano Andrea) Ortelli, der sich bereits im Jahr 1765 in
Weimar niedergelassen hatte, wo er 1792 das Zeitliche segnete (Abb. I).4 Seit 1767 war er mit
der zehn Jahre jüngeren Schuhmachertochter Josephe (Josephine) Barbara Haas(e) (1747-1821)
aus Neustadt an der Saale (nördlich von Schweinfurt) verheiratet und führte am Weimarer
Bornberg l5 eine Südwarenhandlung nebst einer Weinstube, wo für die damalige Zeit geradezu
luxuriöse Delikatessen wie etwa Datteln, frische und saftige Zitronen, Feigen aus Smyrna, ge-

4 Einführende Literatur: Renate Ragwitz: Artikel „Ortelli, Stephan Andreas", in: Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte
, hg. von Gitta Günther u.a., Weimar 1993, S. 341. Weiter: Peter Merseburger: Mythos Weimar.
Zwischen Geist und Macht, Stuttgart 41999, S. 66; Rita Seifert: Von Italien nach Weimar - Ansiedlung italienischer
Kaufmannsfamilien seit dem 18. Jahrhundert, in: Animo Italo-Tedesco. Studien zu den Italien-Beziehungen
in der Kulturgeschichte Thüringens. Studi sulle relazioni con l'Italia nella storia della cultura di Turingia, hg. von
Siegfried Seifert im Auftrage des Präsidiums der Deutsch-Italienischen Gesellschaft in Thüringen (DIGIT) e.V.,
Societä Dante Alighieri - Comitato di Weimar. Mit Zusammenfassungen in italienischer Sprache. Con versioni
sintetiche in italiano Folge/Puntata 5/6 (2008), S. 287-312, hier S. 290ff, bes. S. 293; Wolfgang Huschke:
Genealogische Skizzen aus dem klassischen Weimar: Genealogische Besonderheiten einer deutschen
Residenzstadt an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Genealogisches Jahrbuch 19 (1979) (= Festschrift
zum 75jährigen Bestehen der Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte, T. 1, hg. von der Zentralstelle
für Personen- und Familiengeschichte, Neustadt an der Aisch 1979), S. 201-240, hier S. 212-226, bes. S. 213ff.

5 Zur Lage dieser unweit des Stadtschlosses gelegenen Straße siehe etwa Kerstin Sucher/Bernd Wurlitzer:
Weimar [mit Erfurt und Jena] (DuMont Reise-Taschenbuch), Köln 2004, S. 81.

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