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gehegte Wunsch, den Heros unter den Ciaviervirtuosen zu hören, endlich in Erfüllung ging, wie
die „Oberrheinische Zeitung" mit Begeisterung vermerkte.4 Trotz eines hier unerhörten
Eintrittspreises von zwei Gulden, war das Konzert gut besucht.5 Bereits im Juli hatte Felix
Mendelssohn Bartholdy im Kaufhaussaal auf dem Klavier improvisiert, als er die „Liedertafel",
von welcher er im April zum Ehrenmitglied ernannt worden war, mit seiner Anwesenheit beehrte
.6 Liszts Programm bestand vor allem aus den damals beliebten Transkriptionen und Paraphrasen
aus eigener Feder, darunter die Ouvertüre zu Rossinis „Wilhelm Teil", das „Andante
finale" aus „Lucia di Lammermoor" von Donizetti, die „Don Juan"-Fantasie über Themen aus
Mozarts „Don Giovanni", die Polonaise aus Bellinis „I Puritani" sowie Schuberts „Erlkönig".
Daneben erklangen als Originalwerke der erste Satz aus Beethovens Sonate As-Dur op. 26, eine
Mazurka von Chopin7 sowie als Schlussstück Liszts hochvirtuoser „Grand Galop chromatique".
Die „Freiburger Zeitung" berichtete darüber: Was [nach dem ,Erlkönig'] noch folgte, konnte den
Beifall nicht mehr steigern, er war auf seiner höchsten Höhe; wir fügen nur noch bei, daß die
letzte Nummer geeignet schien, eine Kunstfertigkeit zu zeigen, von deren Möglichkeit man bisher
keine Ahnung haben mochte?

Freundlich vermerkt wurde auch, dass es nicht unter Liszts Würde war, mit den gastgebenden
Sängern der „Liedertafel" aus voller Brust in das eröffnende Lied „Dem deutschen Vaterland
"9 einzustimmen.10 Die Wahl dieses Liedes zeigt übrigens deutlich, wie Gesangvereine im Vormärz
neben ihrer musikalischen Zielsetzung immer auch einen stark politisch-patriotischen Einschlag
hatten, was im Zuge der folgenden Revolution oft zu ihrem Untergang führte.11 Auch auf
Sängerfesten war das „Vaterlands-Lied" stets ein fester Bestandteil und Höhepunkt des
Programms.12

Henriette Feuerbach, die musikalisch gebildete Ehefrau des Archäologieprofessors Joseph
Anselm Feuerbach, schilderte zwei Wochen nach dem Konzert in einem Brief an eine Freundin
ihre Eindrücke: Ich habe Liszt gehört! Und ich rechne mir dies als ein Glück, nicht als einen
Genuß. Du kennst mich genug von innen und außen, als daß Du nicht wissen mußt, daß mir die
gewöhnliche Lisztbegeisterung der Damen, wie sie in Berlin oder sonst im Schwange war, ebenso
fremd als widerwärtig ist, dennoch muß ich der Wahrheit die Ehre geben und zugestehen, daß
man ohne etwas Verrücktheit kaum dabei wegkommt. Die Stimmen hier waren sehr geteilt, Herr
v. Woringen, der die Kennerschaft repräsentiert, war als ein vielleicht parteiischer Freund von
Mendelssohns Spiel gegen Liszt zum voraus eingenommen und suchte durch mancherlei persönliche
Spötterei den Eindruck zu schwächen. Alle die, welche auf musikalische Gründlichkeit
Anspruch machten, sind seinem Urteil gefolgt, mit oder gegen ihre Empfindung, weiß ich

4 Oberrheinische Zeitung vom 14.10.1845, Nr. 287, S. 1203.

5 Oberrheinische Zeitung vom 15.10.1845, Nr. 288, S. 1208 und 20.10.1845, Nr. 293, S. 1225.

6 Zu Mendelssohn Bartholdys drei Aufenthalten in Freiburg siehe Hans Müsch: Felix Mendelssohn Bartholdy in
Freiburg und im Schwarzwald. Aus dem Tagebuch der Hochzeitsreise, in: Musik am Oberrhein, hg. von Hans
Müsch (Hochschuldokumentationen zu Musikwissenschaft und Musikpädagogik 3), Kassel 1993, S. 181-213.

7 Laut dem Artikel in der Freiburger Zeitung vom 18.10.1845, Nr. 292 entfiel die angekündigte Mazurka. Nach dem
Bericht von Henriette Feuerbach (s.u.) zu schließen, wurde sie jedoch gespielt.

8 Freiburger Zeitung vom 18.10.1845, Nr. 292, S. 1689f.

9 Gemeint ist vermutlich das Lied „Was ist des Deutschen Vaterland" (Searle[-Verzeichnis] Nr. 74). Liszt hatte das
Lied nach einem Gedicht von Ernst Moritz Arndt aus Dank für die Verleihung der Friedensklasse des Ordens
„Pour le Merite" durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1841 komponiert. Bekannter war
die Vertonung von Gustav Reichardt (1797-1884) aus dem Jahr 1825, Liszts dagegen „die schwungvollste, die
den Deutschen geschenkt ist" (vgl. August Göllerich: Franz Liszt, Berlin 1908, S. 201).

10 Vgl. Anm. 8.

11 Vgl. Anm. 3.

12 Vgl. Dieter Düding: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808-1847). Bedeutung und
Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche Nationalbewegung (Studien zur Geschichte des neunzehnten
Jahrhunderts 13), München 1984, S. 271.

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