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nicht. Was mich betrifft, so gesteh ich auch auf Gefahr hier meinen echt musikalischen Sinn in
Zweifel ziehen zu lassen, daß ich mich ganz und gar in dem Bann, den dieser musikalische
Zauberer ausübt, gefangen habe. Es ist so etwas ganz Eigentümliches in diesem Spiel, daß man
keine Worte dafür hat. Eine solche übermächtige Gewalt, solch ein zugleich liebliches und doch
unheimliches Locken und Zittern, das Klavier hört auf, Klavier zu sein, alle Instrumente greifen
ineinander, und dazwischen klingen Naturlaute wie Blättersäusein und Donnerrollen. Kurz,
wer ihn nicht gehört hat, der weiß nicht, was ich sagen will. Seine Fertigkeit ist übermenschlich
, und die Art, wie er diese ungeheuren Schwierigkeiten ausführt, läßt jede Mühe und
Anstrengung vergessen. Ich hatte einen guten Platz und konnte recht zusehen. Ganz unheimlich
wurde mirs, es ist, als wenn er wie durch dämonische oder magnetische Kraft die Töne heraufbeschwöre
und die Hände nur planlos nachlässig hin und her schleudere oder bewegungslos
ruhen ließe. Zuweilen auch bei Kraftstellen fährt der ganze Mensch wieder in die Finger und
zittert mit jedem Haar vor der Gewalt des eigenen Schaffens ...Er ist kein Künstler im gewöhnlichen
Sinne des Wortes, sondern eine Erscheinung, ein Phänomen.13
Liszt stellte in Aussicht, im Dezember ein weiteres Konzert in Freiburg zu geben, wozu es
jedoch nicht mehr kam. Nachdem er anlässlich der Feier seines 34. Geburtstages zu seiner
Mutter nach Paris gereist war,14 wandte er sich einer ausgedehnten Konzerttournee durch
Osteuropa zu, während der er im September 1847 seine Karriere als reisender Klaviervirtuose
in Elisabethgrad (heute Kirowograd) in der Ukraine beendete. Das Freiburger Konzert war
damit vermutlich das letzte gewesen, das er jemals gegen Honorar zu eigenen Gunsten in
Deutschland gegeben hatte, auf jeden Fall aber bildete es den Schlusspunkt seiner 1840 begonnenen
, fünfjährigen Tournee durch Mitteleuropa.15
Dem Dirigenten und Pianisten Hermann Dimmler16 war es zu verdanken, dass Liszt 36 Jahre
später noch zweimal nach Freiburg zurückkehren sollte. Der am 11. August 1843 in Rottweil
geborene Dimmler hatte an den Konservatorien in München und Stuttgart studiert (Abb. 1).
Nach einem Kuraufenthalt in der Schweiz zog er 1863 nach Freiburg, wo bereits seine Schwester
wohnte. Hier wirkte er als hochgeschätzter Konzertpianist, Dirigent und Musikpädagoge.
Seinen bedeutendsten Beitrag zum städtischen Musikleben stellte die Gründung des
„Philharmonischen Vereins" im Jahr 1877 dar, der 1890 mit dem Gesangverein „Liedertafel"
zum „Musikverein" vereinigt wurde. Zweck des Vereins war es, in Freiburg regelmäßig Aufführungen
großer Chor- und Orchesterwerke in Form von Abonnement-Konzerten zu ermöglichen
, für welche namhafte Solisten verpflichtet wurden. Daneben pflegten die aktiven Mitglieder
den Chorgesang, weshalb Dimmler gleichzeitig auch eine Chorgesangschule gegründet
hatte. Vielleicht mit Blick auf die revolutionären Verstrickungen der „Liedertafel" im Jahr
1848, wurde bei der Gründung des Philharmonischen Vereins bestimmt, dass derselbe ausschließlich
musikalischen Zwecken dient, und somit alle anderen Bestrebungen ausgeschlossen
bleiben.17
13 Henriette Feuerbach. Ihr Leben in ihren Briefen, hg. von Hermann Uhde-Bernays, München 4 81912, S. 96-99.
14 Vgl. den am 18.10.1845 in Freiburg verfassten Brief an seine Mutter, in: Franz Liszts Briefe an seine Mutter, hg.
von LaMara, Leipzig 1918, S. 65.
15 Eine Aufstellung von Michael Saffle verzeichnet den Freiburger Auftritt als letztes der 298 Konzerte, welche Liszt
zwischen 1840 und 1845 in Deutschland gespielt hat, vgl. Michael Saffle: Liszt in Germany 1840-1845. A
Study in Sources, Documents, and the History of Reception (Franz Liszt studies series 2), Stuyvesant 1994, S.
93-95.
16 Zum Folgenden vgl. Freiburger Zeitung vom 22.04.1903, Nr. 93; Carl Schweitzer: Hermann Dimmler, in:
Badische Biographien, Bd. 6, Heidelberg 1935, S. 557f. Hermann Dimmler starb am 18. April 1903 in Freiburg
und wurde in einem Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof bestattet. Sein Grabstein befindet sich heute auf dem neu
angelegten „Ehrenhain" an der Südostmauer.
17 Bericht über die Thätigkeit des Philharmonischen Vereins seit seiner Gründung, mitgetheilt von Hermann
Dimmler, Freiburg 1884, S. 2.
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