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zogtum Baden. Hier nämlich entfaltete der örtliche Ableger des 1888 in Weimar gegründeten
„Frauenvereins Reform" vielfältige Aktivitäten, die gerade von Freiburg aus entscheidend mit-
getragen wurden. Zwar schloss sich das badische Kultusministerium noch 1890 der Uberzeugung
eines Gutachters, des Oberschulrates August Joos, an, daß ein mindestens neunjähriges
gelehrtes Studium die leiblichen Kräfte der Mädchen so in Anspruch nehmen könnte, daß für
das darauffolgende akademische Studium die erforderliche leibliche Gesundheit vielleicht nicht
mehr zu Gebote stünde,10 immerhin aber wurde seit 1892 für die höheren Mädchenschulen ein
detaillierter, vergleichsweise anspruchsvoller Lehrplan vorgeschrieben.11 Und tatsächlich erhoben
die zuständigen Ministerien keinerlei Einspruch gegen das 1893 vom Verein „Frauenbildungsreform
" in Karlsruhe eingerichtete erste deutsche Mädchengymnasium. Der dortige
Gemeinderat unterstützte das neue Projekt sogar aktiv, indem er kostenlos die Räumlichkeiten
zur Verfügung stellte.12 Die Stadt Karlsruhe sollte die Privatschule wenige Jahre später sogar vor
der Schließung retten, als Querelen zwischen dem Träger-Verein und der Schulleitung vor Ort
unauflösbar schienen und auch die Schülerinnenzahl zwischenzeitlich bedenklich zurückging.
1898 übernahm der Karlsruher Bürgerausschuss schließlich die Verantwortung für das Mädchengymnasium
. Im Folgejahr legten dort die ersten vier Schulabgängerinnen ihr Abitur ab.13
Die Stadt Freiburg wollte sich als Vorreiterin der weiblichen Gymnasialbildung nicht ganz so
weit aus dem Fenster lehnen. Noch 1899, als in Karlsruhe die ersten Abiturientinnen die Schule
verließen und unter den aktiven Frauen endlich auch konkret über die Einrichtung eines eigenen
Mädchengymnasiums in Freiburg diskutiert wurde, nahm der hiesige Frauenbildungsverein von
diesem Vorhaben wieder Abstand mit der Begründung, die lokalen Verhältnisse ließen eine derart
fortschrittliche Einrichtung nicht zu.14 Hier hatte sich seit 1873, als die höhere Töchterschule
eröffnet worden war, praktisch nichts bewegt. Natürlich stand Mädchen auch in Freiburg gegen
Ende des 19. Jahrhunderts eine Möglichkeit offen, extern die Hochschulreife zu erlangen. Ab
1900 wurde ihnen immerhin erlaubt, nach Abschluss der höheren Mädchenschule für die letzten
Schuljahre ein Jungengymnasium zu besuchen und dort an den Abiturprüfungen teilzunehmen
.15 In diesen Schulen waren Mädchen aber die absoluten Exotinnen, und sie mussten schon
über einen äußerst starken Willen verfügen, um dort bestehen zu können. Hermine Paufler zum
Beispiel, die nach dem Abitur am Freiburger Bertoldgymnasium ihr Studium an der Albert-
Ludwigs-Universität beginnen sollte, war von der Sexta an in ihrer Klasse das einzige Mädchen
- und das noch im Jahr 1914, kurz vor dem Ersten Weltkrieg.16
So wenig rühmlich sich also die Mädchenschulbildung in der Stadt Freiburg entwickelte, so
engagiert und erfolgreich war der Einsatz der Freiburger Frauen, als es um das Aufbrechen der
Männerdomäne Universität ging - also um das Erwirken des Rechtes für Frauen, künftig gleichrangig
studieren zu dürfen, was eine ordentliche Immatrikulation voraussetzte.
Hier sollte nun der Professorengattin Adelheid Steinmann die entscheidende Rolle zukommen.
Großh. Oberschulrat an Kultusministerium, 16.7.1889, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 235/7440.
11 Vgl. Karin Ehrich: Stationen der Mädchenschulreform. Ein Ländervergleich, in: Geschichte der Mädchen- und
Frauenbildung (wie Anm. 8), S. 129-148, hier S. 137. Preußen reformierte das höhere Mädchenschulwesen erst
1894, allerdings auf niedrigerem Niveau. Vgl. ebd., S. 131 und 139; vgl. auch Claudia Huerkamp:
Bildungsbürgerinnen. Frauen im Studium und in akademischen Berufen 1900-1945, Göttingen 1996, S. 46.
12 Vgl. Gerhard Kaller: Mädchenbildung und Frauenstudium. Die Gründung des ersten deutschen
Mädchengymnasiums in Karlsruhe und die Anfänge des Frauenstudiums an den badischen Universitäten (1890-
1910), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N.F. 110 (1992), S. 361-375, hier S. 363.
13 Vgl. Susanne Asche: Fürsorge, Partizipation und Gleichberechtigung - die Leistungen der Karlsruherinnen für
die Entwicklung der Großstadt (1859-1914), in: Dies, u.a.: Karlsruher Frauen 1715-1945. Eine Stadtgeschichte,
Karlsruhe 1992, S. 171-256, hier S. 203f.
14 Zitiert nach Rössler (wie Anm. 4), S. 104.
15 Vgl. ebd., S. 108f.
16 Interview mit Hermine Paufler, Freiburg, vom 13.8.1999; vgl. Scherb (wie Anm. 6), S. 30.
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