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der Stadtrat nicht ohne Weiteres einsehen würde, warum er dieses Projekt auch noch unterstützen
sollte, lag dem Ersuchen eine ausführliche Erklärung bei, in der sich Adelheid Steinmann
auf die anderswo gemachten Erfahrungen berief. Diese hätten gezeigt, daß durch die Auskunftsstelle
einerseits die amtlichen Stellen ... deutlich entlastet werden und daß andererseits
gerade den besseren Elementen unter der weiblichen Arbeiterbevölkerung zu ihrem Recht ver-
holfen wird, solchen Frauen, die aus Furcht vor Kosten, aus Unkenntnis oder Bescheidenheit
sich scheuen, die öffentliche Gerichtsbarkeit in Anspruch zu nehmen und daher sehr häufig von
rücksichtslosen Menschen ausgenutzt und übervorteilt werden. Noch befand sich keine Juristin
unter den Freiburger Aktivistinnen, denn auch das Jurastudium war gerade erst seit knapp zwei
Jahren für Frauen freigegeben worden. Der Verein hatte natürlich vorgesorgt und konnte dem
Stadtrat im selben Schreiben seine künftige Vorgehensweise detailliert und überzeugend darstellen
: Die Auskunft soll in den Abendstunden abwechselnd von mehreren Mitgliedern des obigen
Vereins nach vorhergegangener Vorbereitung durch einen Rechtsanwalt und unter Zuhilfenahme
der in Betracht kommenden Gesetze und Verordnungen erteilt werden. Auch über die einzelnen
Fälle wird mit dem Rechtsanwalt Rücksprache genommen werden.39
Offensichtlich überzeugte Steinmanns Argumentation die Herren im Freiburger Rathaus,
denn sie stellten nicht nur zweimal in der Woche einen Raum kostenlos zur Verfügung, sondern
verzichteten auch darauf, die Kosten für Licht und Heizung in Rechnung zu stellen. Diese wurden
auf 75 Mark pro Jahr geschätzt und als städtische Beisteuer zu dem geplanten Unternehmen
in den Haushalt eingestellt.40
Das alles klingt sehr nach freundlicher Kooperation. Es waren allerdings nur kleine Schritte,
denn eigentlich erhoffte sich Adelheid Steinmann die Gleichstellung von Männern und Frauen
auf allen Ebenen. Das Freiburger Tagblatt druckte am 24. Januar 1904 fünf Forderungen des
Vereins Frauenbildung-Frauenstudium ab, deren letzte lautete: Gesetzliche Regelung der Besoldung
der Lehrer und Lehrerinnen nach dem Prinzip: Gleicher Lohn für gleiche Leistung.*1 Aber
das ließ sich im Kaiserreich natürlich noch nicht realisieren - auch nicht in der Weimarer
Republik, geschweige denn in der NS-Zeit, und in vielen Berufen besteht das Problem der
ungleichen Bezahlung bis heute fort.
Im Mai 1906 hatte Adelheid Steinmann ihren letzten großen Auftritt in Freiburg, als der
Gesamtverein hier seine Mitgliederversammlung abhielt. Aus dem ganzen Reich strebten die
Frauenbildungskämpferinnen nach Freiburg, berieten natürlich über ihre Vereinsangelegenheiten
, aber veranstalteten auch öffentliche Vorträge. So sprach am 25. Mai die Juristin Dr. Alix
Westerkamp aus Marburg im Kornhaussaal über die Frage „Warum brauchen wir weibliche
Juristen?" und am folgenden Abend referierte Helene Lange über „Die Reform der höheren
Mädchenschule im Rahmen moderner Unterrichtsfragen". Den Abschluss des viertägigen
Programms bildete schließlich ein „Ausflug in den Schwarzwald" (Abb. 3).42
Natürlich sorgte der Verein „Frauenbildung-Frauenstudium" auch für die Kommunikation
und Weiterbildung der eigenen Mitglieder. Lange traf man sich in einem Provisorium, denn das
Vereinszimmer, das angemietet worden war, konnte nur zweimal wöchentlich genutzt werden.
Der Zweck war, dass die Mitglieder zwanglos zusammenkommen konnten und auch die
Zeitschriften und Bücher der Abteilung zur Benutzung vorfanden.43 1906, kurz bevor Adelheid
Steinmann Freiburg verließ, konkretisierten sich dann endlich die seit längerem gehegten Pläne
Adelheid Steinmann an Stadtrat, 29.11.1901, StadtAF, C3/354/14. Dort auch das vorangegangene Zitat.
Randbemerkung, ebd.
Freiburger Tagblatt Nr. 19 vom 24.1.1904.
Veranstaltungsprogramm, StadtAF, C3/354/14. Auch das Veranstaltungsplakat ist erhalten und abgedruckt in:
Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 3: Von der badischen Herrschaft bis zur Gegenwart, hg. von
Heiko Haumann und Hans Schadek Stuttgart 1992, Tafel 5.
Jahresbericht des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium" (wie Anm. 37), S. 22.
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