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Kreuzes" erhalten hat, zu treffen und um dort mit einem Drehbuch anzufangen. Doch kurz nach
ihrer Rückkehr ruft das Büro von „SS-Hauptsturmführer" Fritz Hippler (1909-2002), Leiter der
Filmabteilung im „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda", bei Regisseur
Karl Ritter an, um ihm etwas Unangenehmes mitzuteilen. So fahren am 31. März 1941
Regisseur Karl Ritter, Filmarchitekt Anton Weber und Kameramann Igor Oberberg zur
Hauptfilmstelle nach Zehlendorf. Hippler eröffnet mir, dass Harlan den Narvik-Film machen
soll. Mir rutscht ein Stein vom Busen. Immer überdenkend die Arbeit, die wie ein Chimborasso
vor mir stand, zergeht mit einem Schlag im Dunst.39
Der „Jud Süß"-Regisseur Harlan trifft sich danach wunschgemäß mit Goebbels. Mit Harlan
„Narwik-Film " [sie!] durchgesprochen. Er will ihn im Herbst drehen. Er muß ganz groß werden.
Harlan bietet eine gewisse Gewähr dafür.40 Im Mai 1941 besucht nun auch Veit Harlan mit seiner
Frau Kristina Söderbaum (1912-2001) und seinem Aufnahmeleiter Conny Carstennsen
(1888-1957) Norwegen und Narvik. Dann erfuhr Harlan, daß die Engländer übers Radio
gemeldet hätten, er würde die Schlacht um Narvik filmen, und sie würden dafür sorgen, dass er
ein sehr blutiges Bild vor der Kamera bekäme.41 Im Sommer 1941 beginnt Veit Harlan erst einmal
die Arbeiten an „Der große König", dem Historienfilm über die siegreiche Schlacht von
Friedrich II. 1759 bei Torgau. Am 27. Juni 1941 feiert „Stukas" die Kinopremiere und am 12.
August 1941 reist Anton Weber via „Brenner-Bahnhof42 für die Vorbereitungen seines nächsten
Projektes nach Rom. Der Film „Narvik" bleibt für immer unerledigt in den Schubladen.
Während der NS-Zeit erscheint eine ganze Reihe von Propagandawerken über die
Entdeckung von „Bayer 205", einem Mittel gegen die Schlafkrankheit, das 1923 den Markennamen
„Germanin" erhalten hat. Am bekanntesten wird der 1938 veröffentlichte Roman des
Arztes und Schriftstellers Dr. med. Hellmuth Unger (1891-1953). Der Pressereferent des
„Reichsärzteführers" und „Beauftragten des Führers für Volksgesundheit" Dr. Gerhard Wagner
(1888-1939) hat auch über die Gesundheitsforscher Robert Koch, Rudolf Virchow und Louis
Pasteur biografisch angelehnte Bücher verfasst. Für „Germanin. Geschichte einer deutschen
Großtat" nimmt er Dr. Friedrich Karl Kleine (1869-1951), einen Schüler von Robert Koch
(1843-1910), der von 1921 bis 1923 in den britischen Kolonien Rhodesien und Tanganjika erstmals
„Bayer 205" erfolgreich angewendet hat, als Vorbild für seinen Protagonisten Professor
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Dr. Achenbach. Uberdeutlich spiegelt das Buch „Germanin" die kolonialistische Uberzeugung,
dass Deutschland wieder Kolonien haben wird - und dies mit ausdrücklichem Anrecht. Mit
nicht nur für Kriegszeiten großem Aufwand wird die geschichtsverfalschende Erzählung dann
1942/43 von der „Ufa" unter der Regie des Goebbels-Schwagers Max W. Kimmich (1893-
1980) in Rom-Cinecittä und Umgebung verfilmt,43 u.a. ziehen tausende Statisten - über italienische
Hügel, die Ostafrika recht gut darstellen - in genau geplanten, dramaturgisch beeindruk-
kenden Formationen ihrem deutschen Retter Dr. Achenbach entgegen. Der Film enthält darüber
hinaus auch einige bestürzende (und heute ziemlich einmalige) Dokumentaraufnahmen, die aus
zeitgenössischen Schlafkrankheitslagern stammen.
Anton Weber versucht von nun an, einerseits seine „UK-Stellung" zu schützen und andererseits
immer mehr am „Ufa"-Rand tätig zu sein, etwa bei unwichtigeren (und dadurch weniger
Karl Ritter: (unveröffentlichtes) Tagebuch 1941, Eintrag vom 31. März 1941, S. 120f., zitiert nach: Daniel
Gethmann: Das Narvik-Projekt. Film und Krieg, Bonn 1998, S. 209.
Die Tagebücher Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil 1, Bd. IV, hg. von Elke Fröhlich, München 1987, S.
522 (4. April 1941).
Paul Virilio: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, München 1986, S. lllff.
Lt. Grenzübergangs-Stempel im Reisepass von Anton Weber.
Germanin. Die Geschichte einer kolonialen Tat (Arbeitstitel: Bayer 205), D 1943, 35 mm, 94 min., Regie: Max
Wilhelm Kimmich, Manuskript: Max Wilhelm Kimmich, unter freier Nutzung des Romans „Germanin" von
Hellmuth Unger und (ungenannt) des Romans „Tsetse" von Norbert Jacques, Bauten: Anton Weber, Hauptdarsteller:
Peter Petersen, Luis Trenker, Lotte Koch.
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