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kontrollierten) Produktionen unterzukommen, die irgendwo in der Provinz abgedreht werden.
So arbeitet er mal bei „Atelieraufnahmen in Prag", mal bei Außendrehs im früher sehr bekannten
Künstlerort Nidden (heute: Nida/Litauen) im Memelgebiet mitten auf der Kurischen
Nehrung. Zu diesen damals als unbedeutend eingestuften Filmen gehören zwei, die eine für ihre
Zeitumstände erstaunliche Leichtigkeit in sich tragen, die mehr an französische als an „Ufa"-
deutsche Filme erinnert. Zwei verliebte Dreiecksgeschichten in und am Rande der (eigentlich
bereits zerbombten) Reichshauptstadt. „Junge Herzen"44, recht unbekannt und heute vergessen,
nicht vollständig gelungen, aber mit einigen erfrischenden Szenen, wie etwa das Pantoffeln-
Schlittern im Schloss Sanssouci, sowie „Unter den Brücken"45, inzwischen international als poetisches
Meisterwerk gerühmt und immer wieder gern aufgeführt.46

Bei einer „Ufa"-Großproduktion möchte Anton Weber aber unbedingt dazugehören. „Das
Leben geht weiter"47, ein Durchhaltefilm nach einer Idee von Joseph Goebbels, indem erstmals
in einem deutschen Film die zerstörten Städte des eigenen Landes gezeigt werden sollen. Regisseur
Wolfgang Liebeneiner (1905-1987), seit 1942 Produktionschef der „Ufa", will den Filmtitel
aber darüber hinaus als Verhaltensmotto verstehen und versammelt ein etwas zu umfangreich
geratenes Team um sich, das allerwichtigste Filmarbeit vortäuschend in westlicher Provinz das
Kriegsende möglichst unbeschadet erreichen soll. So erlebt Anton Weber am 18. April 1945 in
dem winzigen niedersächsischen Domflecken Bardowick relativ problemlos mit dem Einmarsch
der Engländer das Ende seiner „Ufa"-Karriere.48

Erneutes Suchen, erneute Anfänge

An sehr vielen Biografien deutscher Künstler, die zwischen 1900 und 1908 geboren sind, kann
man ablesen, was für Wirrungen und Irrungen Deutschland im vorigen Jahrhundert durchlaufen
hat. Kaum einer dieser Lebensläufe, der nicht von Kanten, Ecken und Narben geprägt ist und
laufend Umwege und Neuanfänge aufweist. Bereits als Kind erleben sie die überschwängliche
Siegeseuphorie zu Anfang des Ersten Weltkriegs sowie dessen Ende mit Schrecken, Sterben und
tiefem Bedrücktsein. Als Heranwachsende bieten ihnen Anti-Kriegs-Gedanken, Jugendbewegung
und erste Schritte in die Moderne einen Aufbruch mit Idealen und progressiven
Lebenszielen. Doch Inflation 1923 sowie Weltwirtschaftskrise 1929 hemmen oder verhindern
häufig bereits die angestrebte Berufsausbildung. Und nach der „Machtübernahme" 1933 müssen
sich die nun gerade erwachsen Gewordenen einen persönlichen Weg zwischen Begeisterung
und Durchmogeln, zwischen Ablehnung, Abkehr und Anpassung suchen, bis der Zweite
Weltkrieg ab 1939 weitere Sorgen und Probleme schafft und nochmals aktualisierte Uberlebensstrategien
fordert. Beim Wiederaufbau nach 1945 und dem dafür nun eigentlich notwendigen
Elan sind viele von der inzwischen auch eigenen Vergangenheit nachhaltig geprägt, manchmal
verständlicherweise gehemmt, können so häufig von den Jüngeren überholt werden. Das trifft
auch auf Toni Weber zu.

Junge Herzen, D 1944, 35 mm, s/w, 90 min., Regie: Boleslav Barlog, Drehbuch: Rolf Meyer und Christian Münk,
nach dem Roman „Ohne Sorge in Sanssouci" von Ernst Wolf Dröge, Bauten: Anton Weber, Hauptdarsteller: Harald
Holberg, Ingrid Lutz, Lisca Malbran.

Unter den Brücken, D 1945, 35 mm, s/w, 100 min., Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Walter Ulbrich und Helmut
Käutner, unter Verwendung des Manuskripts „Unter den Brücken von Paris" von Leo de Laforgue, Kamera: Igor
Oberberg, Bauten: Anton Weber, Hauptdarsteller: Hannelore Schroth, Carl Raddatz, Gustav Knuth, Hildegard Knef.
Hans-Jürgen Tast: Helmut Käutner „Unter den Brücken" (1944/45), Schellerten 2007.

Das Leben geht weiter, D 1945, 35 mm, s/w, unvollendet, Regie: Wolfgang Liebeneiner, Drehbuch: Gerhard Menzel,
Thea von Harbou, Wolfgang Liebeneiner, nach einem Treatment von Kurt Frowein, Hans Heinrich Henne, Gerhard
Weise sowie nach dem Artikel „Doch das Leben geht weiter" in „Das Reich" von Dr. Joseph Goebbels; Bauten: Anton
Weber, Hauptdarsteller: Gustav Knuth, Hilde Krahl, Marianne Hoppe, Viktor de Kowa, Heinrich George.
Hans-Jürgen Tast: Das Leben geht weiter ... Das Kriegsende mit Propaganda-Filmdreh der „Ufa" in Bardowick, in:
Das Magazin. Wochenendbeilage der „Landeszeitung" Lüneburg, 1./2. August 2009, S. 1 und 3.

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