http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0153
Nach Kriegsende bleibt er erst einmal in Bardowick, arbeitet dort in der Landwirtschaft. Ist
der Ort während der gesamten Kriegszeit von Kampfhandlungen verschont, wird am 19. Mai
1945 nun aber das sogenannte „Polnische Pfingsten" ausgerufen. Bis Pfmgstsonntag, den 20.
Mai, 16 Uhr, müssen alle Bewohner Bardowick verlassen. Dafür werden dort 5.000 Polen, alles
ehemalige Kriegsgefangene und Fremdarbeiter, einquartiert. Dieses „Polenjahr" endet erst am
29. März 1946.
Anton Weber zieht anfangs nach Lüneburg und Ende August 1945 dann weiter nach Hamburg
-Fuhlsbüttel, um bei Helmut Käutners neuem Film „In jenen Tagen"49 und dessen Firma
„camera-Filmproduktion GmbH" mitzuarbeiten, z.B. entwirft er den (heute noch bekannten)
Schriftzug. Außerdem versucht er mit zwei Partnern eine Filmtechnikfirma aufzubauen.50
Uber eine Ausstellung seiner Zeichnungen im Sommer 1947 in der Hansestadt berichtet
sogar das Nachrichten-Magazin „Der Spiegel".51
Doch aus all diesen Aktivitäten entwickelt sich nichts Rechtes, so kauft sich Anton Weber
am 18. Oktober 1948 in die Freiburger Filmproduktion „A.G.F." (Arbeitsgemeinschaft Film
GmbH) ein. Ein kleines Unternehmen mit Alexander Krafft an der Spitze, das laufend mit
finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Nach den beiden mit vollem Elan angegangenen
Spielfilmen „Wohin die Züge fahren"52 (Abb. 6) und „Nach Regen scheint Sonne"53, alles andere
als Kassenschlager, kann die gleichnamige Nachfolgefirma nur noch Kulturprogramme für
Kino und Fernsehen sowie Synchronisationen herstellen.54 Dabei übernimmt Anton Weber die
unterschiedlichsten Tätigkeiten, z.B. Drehbuch, Regie, Produktion oder Schnitt. Daneben ist er,
zum Teil - wie bereits erwähnt - mit wechselnden Pseudonymen, als Autor tätig, u.a. verfasst
er Kurzgeschichten, einige Hörspiele sowie ein Opernlibretto. Immer wieder sucht er dabei in
Freiburg die Zusammenarbeit mit jungen Talenten, etwa mit dem Musiker Bertold Hummel
(1925-2002). Um 1960 freundet er sich mit dem Jurastudenten Roland Hehn (1939-1970) an.
Man entwickelt gemeinsame Filmpläne, trifft sich daher regelmäßig. So lernt Anton Weber dessen
Düsseldorfer Familie ebenfalls kennen, u.a. auch seine Stiefmutter, die Theaterschauspielerin
Edith Lechtape (1921-2001).
Nachkriegs-Karrieren
NS-Grafiker Karl Diebitsch arbeitet nun im Fichtelgebirge als Porzellanmaler bei „Heinrich &
Co" in Selb. Am 6. August 1985 stirbt er im bayrischen Kurort Kreuth.
Auch Hans Retzlaff lebt nach dem Krieg zurückgezogen in der Provinz. Auf seinem neuen
Copyrightstempel steht nun unter seinem Namen „Tann/Rhöngebirge (früher Berlin-
Charlottenburg)". Er fotografiert weiterhin und wird auch immer wieder in Buchpublikationen
veröffentlicht. Im Großen und Ganzen bleibt er dabei seinem Themenspektrum treu. Vor allem
sind es Landschaften, später kommen verstärkt jedoch auch Aufnahmen aus kunsthistorischen
In jenen Tagen, D 1947, 35 mm, 111 min., Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Ernst Schnabel,
Kamera: Igor Oberberg, Bauten: Herbert Kirchhoff, Hauptdarsteller: Winnie Markus, Franz Schafheitlin, Ida Ehre,
Rudolf Jugert, Erwin Geschonneck, Carl Raddatz.
50 Hans-Jürgen Tast: Helmut Käutner „In jenen Tagen" (1947), Schellerten 2007.
51 Artikel „Jede freie Wand den Künstlern", in: „Der Spiegel" vom 21. Juni 1947, S. 16.
52 Wohin die Züge fahren, D 1948-49, 35 mm, 98 min., Regie: Boleslav Barlog, Drehbuch: Walter Ulbrich, Kamera:
Klaus von Rautenfeld, Produktion: „A.G.F.", Hauptdarsteller: Carl Raddatz, Heidemarie Hatheyer, Gunnar Möller.
53 Nach Regen scheint Sonne, D 1949, 35 mm, s/w, 93 min., Regie: Erich Kobler, Drehbuch: Erich Kobler, Jo Hanns
Rösler, Anton Weber (uncredited), nach einer Idee von Heinz Coubier, Produktion: „A.G.F." in Zusammenarbeit mit
der „Eugene A. Borkum-Film", Hauptdarsteller: Sonja Ziemann, Gert Fröbe, Rudolf Platte, Willy Reichert, Liesl
Karstadt, Beppo Brehm, Gunnar Möller.
54 Hans-Jürgen Tast: „Nach Regen scheint Sonne". Eine Filmproduktion von Alexander Krafft und Anton Weber
(Freiburg 1949), Schellerten 2005.
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