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beantragte Drehlizenz. Im Frühjahr 1949 überquert er bei Basel heimlich die Grenze und geht
danach mit seiner Familie ins Exil nach Argentinien. Dort dreht er 1950/51 unter Mitwirkung
zahlreicher Deutscher den Flop „El paraiso". Im Sommer 1953 kehrt er in die Bundesrepublik
zurück, kann im darauffolgenden Winter mit Conny Carstennsen, dem engen Veit Harlan-
Mitarbeiter, als Aufnahmeleiter in Wiesbaden, Eltville und im Taunus das Drama „Staatsanwältin
Dr. Corda" inszenieren. Es folgen ein weiterer Film, „Ball der Nationen" (1954), eine
Firmengründung und mehrere Pläne. Dennoch findet er keinen richtigen Anschluss mehr. So
wandert er erneut nach Südamerika aus, wo er im April 1977 in Buenos Aires stirbt.
Detlev Sierck, dem Regisseur, der direkt nach dem Drehende von „La Habanera" im Winter
1937 ins Exil gegangen ist, gelingt es, in den 1950er-Jahren in Hollywood als Douglas Sirk eine
beachtliche Karriere aufzubauen. 1957/58 verfilmt er für „Universal International Pictures" den
Remarque-Roman „Zeit zu leben und Zeit zu sterben" mit Lieselotte Pulver in den „CCC-
Studios" in Berlin-Spandau. Nach der Premiere auf der „Berlinale" wird Sirk von den jungen
Regisseuren der französischen Nouvelle Vague als Meister des Melodrams entdeckt und einige
Zeit später auch zum öffentlich gepriesenen Vorbild von Rainer-Werner Fassbinder.57 Von 1974
bis 1978 hält sich Sirk wieder zeitweise in Deutschland auf, um als Gastdozent einige Projekte
zusammen mit Münchner Filmstudenten zu realisieren. Am 14. Januar 1987 stirbt er im Tessin,
wo er mit seiner Frau seit Anfang der 1960er-Jahre gewohnt hat.
Das abgelegene Haus in den Vogesen
In Freiburg ist Toni Weber ein unruhiger Geist, der sich regelmäßig in lange Diskussionen
stürzt. Oft ereifert er sich darüber, wie sehr Nazis immer noch das Sagen haben, verschweigt
aber gleichzeitig, einmal selbst bei der NS-Propagandamaschinerie aktiv mitgewirkt und von
dieser Tätigkeit profitiert zu haben.
Er versteht sich als Macher, als Multitalent. Ein politischer Dadaist, ein traditionsbelasteter
Erneuerer, ein Weltverbesserer, ein Frauenheld, ein unausgelastetes Talent. Er bemerkt kaum,
wenn seine Ehefrau und sein Sohn laufend zu kurz kommen - nicht nur, weil stets zu wenig
Geld zur Verfügung steht. Ideenreich hält er unablässig Ausschau nach neuen Möglichkeiten für
seine nicht zu bändigende Kreativität. So ist morgen immer wichtiger als heute. Doch bei aller
Großartigkeit bleibt er in Freiburg auf der Verliererspur. Die paar Lichtblicke, egal ob eine
Filmfestivaleinladung oder eine Hörspielausstrahlung im Radio, sind zu selten, bleiben Sternschnuppen
.
1965 zieht er in die elsässischen Vogesen, wo er sich an einem einsamen Berghang bei
Freland ein fast verfallenes Bauernhaus einfallsreich ausbaut. So außergewöhnlich, dass es in
„Schöner Wohnen" mit Text und Bild mehrseitig vorgestellt wird.58 Wieder einmal ein Neuanfang
.
Fortan nennt er sich Antoine Weber und lebt und arbeitet mit der Schauspielerin Edith
Lechtape zusammen. Sie wird sein Fotomodell. Eines, das diese Tätigkeit als künstlerische
Partnerschaft versteht. So entwickeln sich die anfangs eher konventionellen Porträtaufnahmen
bald, u.a. durch die Gemälde von Francis Bacon beeinflusst, immer stärker zu teilweise recht
dämonischen Gesichtsinszenierungen. In gemeinsamer Teamarbeit, unter dem Namen „labo-
ratoire imagier", mehr oder weniger abgeschieden von der Außenwelt, steigern sie ihre manchmal
erschreckende Bilderwelt mit komplizierten Negativ-Montage-Techniken und mehrschich-
Hans-Jürgen Tast: Flitterwochen in Hildesheim. Der Tausendjährige Rosenstock als Thema eines Hollywood-
Dialogs, in: Hildesheimer Allgemeine Zeitung Nr. 150 vom 19. Juni 2010, S. 16.
Nach freundlicher Auskunft der heutigen Besitzer des Anwesens. Jahrgang und Nummer der Zeitschrift „Schöner
Wohnen" konnten nicht ermittelt werden.
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