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100 oder ein Mehrfaches davon. So hat die Universität Freiburg im Jahr 2007 ihr 550-jähriges
Bestehen festlich ausgestaltet.8 In hoher Auflage gedruckte und weltweit verbreitete
Briefmarken halten denkwürdige Ereignisse und Gestalten fest, oft in Wort und Bild, im Jahr
2012 etwa ,50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil', ,500 Jahre Sixtinische Madonna', ,1100.
Geburtstag Kaiser Otto I.'.9
Allgemein anerkannte Regeln zu dem, was im Gedächtnis bewahrt werden soll, gibt es nicht.
An Erfreuliches denken wir gern zurück, was nur zu verständlich ist. Es fällt indessen auf, dass
wir Schuld, die unsere Vorfahren auf sich geladen haben, nicht aus dem Gedächtnis löschen.
Sogar dieser Teil unserer Kultur ist biblisch geprägt; statt vieler Beispiele sei auf die Uberlieferungen
von den Vergehen Davids (2 Sam 12,9f) und dem Verrat des Petrus (Mk 14,68-71) verwiesen
. Dass auch Freiburger im Laufe der Jahrhunderte gefehlt haben, dokumentiert in Text
und Bild die monumentale Ortsgeschichte.10
Zeichen der Erinnerung begleiten uns schließlich im Privatleben. Der Trauring, Schmuck und
Einrichtungsgegenstände unserer Wohnung lassen uns an die Ehepartnerin, den Ehepartner, an
Eltern und Großeltern, Freunde und Bekannte denken. Im Kalender haben wir Geburtstage und
andere persönliche Daten vermerkt. An bestimmten Tagen erinnern sich Altere an die
Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, an ein Examen, an den Antritt der begehrten Stelle
oder an die Goldene Hochzeit.
Juden und Christen, Griechen und Römer haben, so darf man verallgemeinern, eine
Erinnerungskultur geschaffen, die durch den christlichen Glauben weitergetragen worden ist. Zu
ihr gehört das Streben, einmalige Ereignisse sowie länger dauernde Abläufe im Gedächtnis und
in Dokumenten zu bewahren. Eine Ergänzung, die hier jedoch nicht weiter verfolgt wird: Als
Zwillingsschwester der Erinnerung lässt sich das Vergessen verstehen. Beide sind für den
Einzelnen wie für die Gesellschaft lebensnotwendig.11
Das Stadtbild beherrscht von einem Ort lebendiger Erinnerungen
Vielfaltige Zeichen der hier skizzierten Erinnerungskultur begegnen in Freiburg. Aus der Ferne
fällt der Turm des Münsters auf. Errichtet mitten in der Stadt, ein wenig abseits von der
Hauptstraße, gehört es zu den nicht gerade zahlreichen Großkirchen, die noch im Mittelalter fertiggestellt
worden sind; zwischen 1470 und 1513 wurde der Hochchor vollendet.12 Seit 800
Jahren beten in dieser Kirche täglich Frauen und Männer; Junge und Alte wenden sich an Gott,
bitten um Rat und Trost in ihren Nöten. Feste, die Christen aller Konfessionen und sogar Nicht-
Vgl. Dieter Speck: Eine Universität für Freiburg „... zu erlöschung des verderblichen fewres menschlicher
Unvernunft und blintheit Freiburg 2006. Als eine Summe von Erinnerungen lässt sich verstehen: 550 Jahre
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Festschrift, Bd. 1: Bilder, Episoden, Glanzlichter. Texte und Bildauswahl
von Dieter Speck, Bd. 2: Von der hohen Schule zur Universität der Neuzeit, hg. von Dieter Mertens und
Heribert Smolinsky, Bd. 3: Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts, hg. von
Bernd Martin, Bd. 4: Wegweisende naturwissenschaftliche und medizinische Forschung, hg. von Christoph
Rüchardt u.a., Bd. 5: Institute und Seminare seit 1945, hg. von Bernd Martin, Freiburg/München 2007.
9 Nach einer Vorschau in: Postfrisch. Das Philatelie-Journal, Mai/Juni 2011, S. 13.
10 Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum „Neuen Stadtrecht" von 1520, Bd.
2: Vom Bauernkrieg bis zum Ende der habsburgischen Herrschaft, Bd. 3: Von der badischen Herrschaft bis zur
Gegenwart, hg. im Auftrag der Stadt Freiburg von Heiko HAUMANNund Hans Schadek, Stuttgart 1992-1996.
11 Vgl. Norbert Ohler: Zwischen Erinnern und Vergessen. Überlegungen zum Umgang mit geschichtlicher
Schuld. In: Herder Korrespondenz. Monatshefte für Gesellschaft und Kultur 64 (2010), S. 89-93.
12 Dieter Mertens/Frank Rexroth/Tom Scott: Vom Beginn der habsburgischen Herrschaft bis zum „Neuen
Stadtrecht" von 1520, in: Haumann/Schadek (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 215-301, hier S. 266; vgl. zum Münster
Rüdiger Becksmann/Friedrich Kobler/Peter Kurmann: Das Freiburger Münster - der Bau und seine Originalausstattung
, in: Haumann/Schadek (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 343-379.
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