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nicht mehr ausreichend abgesichert schwere Zeiten durchmachte. Zwei bekannte Persönlichkeiten aus
„Badens großer Zeit" und damit Weggenossen von Vater Drais werden in dem Band behandelt: Johann
Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), der Organisator der Verwaltung der zum Kurfürstentum und bald
zum Großherzogtum aufgestiegenen Markgrafschaft Baden, bearbeitet von Christian Würtz, und Karl
Friedrich Nebenius (1784-1857), der Vater der badischen Verfassung von 1818, vorgestellt von Rainer
Brüning.
In der Chronologie ganz vorn steht der Meistersinger und Dichter Michael Beheim (1420-1472/79), den
seine Biografin Karin Zimmermann einen der letzten fahrenden Sänger des Mittelalters nennt. Er stand in
wechselnden Dienstverhältnissen z.B. in München und Wien und wanderte durch ganz Europa. Die Universitätsbibliothek
Heidelberg verwahrt in Gestalt von sechs handschriftlichen Codices die umfangreichste
Dokumentation seines Werks.
Hans Albrecht Oehler behandelt den Rokokomaler Franz Ferdinand Dent, der zwischen Neckar, Donau
und Bodensee im baufreudigen 18. Jahrhundert zahlreiche Kirchen ausgemalt hat. Thomas Krebs stellt den
schwäbischen Gärtner und Botaniker Eduard Schmidlin (1808-1890), der im Berner Oberland das Hotel
bei den spektakulären Gießbach-Wasserfällen führte, Prominente wie Johannes Brahms oder Friedrich
Engels beherbergte und mit der Illumination des Naturschauspiels beeindruckte. Frank Raberg, Kenner der
Verwaltungsgeschichte des Landes, stellt den Stuttgarter Juristen Karl Konrad von Gutbrod (1844-1905)
vor, der auf Vorschlag des württembergischen Staatspräsidenten von Mittnacht 1877 an das Reichsjustizamt
in Berlin berufen und 1903 von Kaiser Wilhelm II. zum Präsidenten des Reichsgerichts in Leipzig
ernannt wurde. Sascha Ziemann folgt dem Lebensweg des badischen Juristen Max Ernst Mayer (1875-
1923), der wegen antisemitischer Vorurteile trotz hoher Qualifikation lange auf eine Berufung als Ordinarius
warten musste. Siebzehn Jahre war er in Straßburg als Privatdozent tätig. Den standesgemäßen
Hausstand finanzierten die Eltern, Mannheimer Fabrikanten und Nachfahren einer alteingesessenen
Familie. Der Junggeselle Mayer war für Sport aufgeschlossen, schon vor dem Ersten Weltkrieg Autofahrer.
Er starb 1923 noch nicht 50-jährig. Ziemann kommentiert, der nationalsozialistische Terror sei ihm auf
diese Weise erspart geblieben. Von Bernhard Theil stammt das Portrait des württembergischen
Landeshistorikers Friedrich Eugen Schneider (1854-1937). Zwei Beiträge sprechen die Freunde des
Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar an: die Biografie
des Gründers und langjährigen Leiters Otto Güntter (1858-1949), verfasst von Herman Schick, und die
von Manfred Bosch aufgearbeitete Lebensgeschichte von Erich Schairer (1887-1956), Herausgeber der
„Stuttgarter Zeitung", der in den 1950er-Jahren die Voraussetzungen schuf, um das Handschriften-Archiv
des Cotta-Verlags nach Marbach zu bringen.
Kerstin Renz befasste sich mit dem außergewöhnlichen Aufstieg eines Sohnes armer Leute von der
Schwäbischen Alb zum angesehenen Architekten mit eigenem europaweit agierenden Planungs- und
Ingenieurbüro. Philipp Jakob Manz (1861-1936), der als Volksschüler und ehemaliger Steinbrucharbeiter
die Baugewerbeschule besucht und sich danach in der Firma seines Lehrers Otto Tafel in der Praxis erprobt
und weitergebildet hatte, spezialisierte sich auf Industriebauten und machte sich in dieser Domäne selbständig
. Die Fabrikgebäude von Gminder, Junghans und die monumentale Anlage der Deutschen Waffen-
und Munitionsfabriken in Karlsruhe sind Beispiele für sein Werk. Seine akademisch gebildeten Konkurrenten
beneideten den „Blitzbaumeister" und Leiter einer „Architekturfabrik" wegen seiner geschäftlichen
Erfolge, behandelten ihn aber als Parvenü. Die letzte der 19 Biografien führt in die Außenpolitik des
Deutschen Reiches während des Dritten Reiches und beleuchtet die Friedens-Vermittlungs-Versuche des
Max Egon von Hohenlohe-Langenburg. Seine Bindung an das Land Baden-Württemberg beziehungsweise
an dessen Vorläufer ist jedoch nur über die ältere Geschichte seines Hauses herzustellen, denn die Güter
seiner Linie lagen im Sudetenland. Die Kontakte zu Ernst von Weizsäcker beruhten eher auf dessen Stellung
in Berlin als auf den gemeinsamen Wurzeln im Südwesten.
Das Buch bietet viel neue Forschung, auch bei vermeintlich bekannten Persönlichkeiten neue Aspekte,
die Texte sind allgemein verständlich, auf Anmerkungen wird verzichtet; am Ende stehen Angaben von
Quellen und Literatur. Ein Gesamtverzeichnis enthält alle in den bisher erschienenen 23 Bänden enthaltenen
Biografien; die Autoren sind dort nicht verzeichnet. Auch die Autoren des vorliegenden Bandes werden
nicht vorgestellt. Für den Nutzer des Bandes wäre jeweils ein Vorspann mit den wichtigsten Daten und
Stationen des Lebenslaufs hilfreich, natürlich auch ein Register, denn mancher Beitrag streift weitere
Persönlichkeiten, nach denen gefragt werden könnte, z. B. nach dem Architekten Otto Tafel, der im
Zusammenhang mit Manz vorkommt. Renate Liessem-Breinlinger
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